Von Planlos über Chaotisch nach Nicht-Regierungsfähig

(Foto: mit freundlicher Genehmigung von https://www.wir-haben-es-satt.de/ Dieser Zusammenschluss – unabhängig von den Veranstaltern der aktuellen Demos, es handelt sich um unterschiedliche Akteur*innen und Ausrichtungen- ruft für den 20.1.24 zu einer Großdemo auf für: Gutes Essen braucht Zukunft – für eine gentechnikfreie, bäuerliche und umweltverträgliche Landwirtschaft!)

Karl-W. Koch, 20.12.23

Die Regierung in Berlin produziert seit dem Heizungs-Debakel im Frühjahr stetig und mit zunehmender Geschwindigkeit Highlights im Wochentakt. Vermutete man das letzte „Erfolgserlebnis“ nach dem selbstverschuldeten Haushaltsdesaster à la Scholz und Lindner (der eine der Vordenker und Initiator, der andere der Umsetzende), der Verschleppung des Haushalts in 2024 und einer wilden Streichungsorgie, sei nicht mehr toppen, wurde man umgehend eines “Besseren” belehrt.
Schon diese „Einigung“ bestätigt die schlimmsten Befürchtungen:

  • Kürzungen in der Entwicklungshilfe statt – wie eigentlich geplant – massiver Erhöhung zum Klimaschutz
  • und im Sozialen – das mit den Nicht-arbeitenden-Schmarotzern geht ja gar nicht
  • Anhebung des CO2-Preises, also Verteuerung von Benzin und Heizöl OHNE Klimageld-Ausgleich, wie eigentlich schon im Koalitionsvertrag festgelegt, und dadurch bedingt eine deutliche Steigerung der Strompreise (die ja eigentlich sinken sollte)
  • Kahlschlag in der Landwirtschaft mit Streichung Agrar-Diesel-Subvention und Steuerbefreiung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen
  • Kahlschlag bei Solarförderungen usw.

Doch diese Einigung auf eine Liste des Grauens hielt noch keine 24 Stunden. Aus der Streichung der Kerosin-Steuerbefreiung für Inlandsflüge, die ja Sinn gemacht und die „Richtigen“ getroffen hätte, wurde eine drastische Erhöhung der Ticketsteuer, die jetzt jeden Fluggast trifft, ob er Frankfurt – Saarbrücken oder München – Peking fliegt. Die Lufthansa freut sich, die Konkurrenten weniger!

Die Kappung des Förderbetrages für Elektroautos in einer Nacht- und Nebelaktion, die den Neuwagenverkauf von umweltschonenden Autos drastisch reduzieren dürfte, lässt die Ziele in der Umstellung der Auto-Mobilität in weite Ferne rücken. Chinesische Hersteller, die demnächst mit preiswerten E-Autos nach Deutschland drängen, dürfte dies zu einer Massenexplosion an Sektkorken veranlassen, die das Feuerwerk zum chinesischen Neujahrsfest in den Schatten stellt.

Nicht angegangen wurden „dank“ FDP wieder einmal die tatsächlich klimaschädlichen Subventionen wie

  • Diesel-Subventionierung
  • Dienstwagen-Privileg
  • Pendlerpauschale für höhere und hohe Einkommen oder eben – siehe oben
  • Die Inlandsflüge

Aber selbst das Ganze noch zu toppen, schafft der Landwirtschaftsminister Özdemir, der sich tatsächlich auf der Demo am 19.12. hinstellt und behauptet, doch noch „eine gemeinsame Lösung zu finden“ Bereits am Morgen hatte er im ARD-„Morgenmagazin“ erklärt, dass er Finanzminister Lindner Vorschläge unterbreitet habe, wo im Haushalt an anderer Stelle gekürzt werden könnte, um die Agrarsubventionen zu erhalten.[1] Özdemir ließ jedenfalls keinen Zweifel daran, dass er nicht auf diese Lkw-Bühne geklettert war, um den Sparbeschluss der Ampel zu verteidigen, sondern um sich dem Protest mehr oder weniger vollumfänglich anzuschließen. „Jeder Euro, jeder Cent zählt“, rief der Minister und spätestens beim Nachsatz wurde deutlich, dass er nicht allein zu den Bauern sprach, sondern mehr noch zu seiner Koalition: „Deshalb werde ich mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das so nicht kommen kann.“ Und gleich nochmal: Sparen schön und gut, aber nicht in diesem Umfang, „deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt“.[2] Allerdings wird er immer wieder unterbrochen, ausgebuht, ausgepfiffen. Dabei versichert er den Bauern, im Kabinett für sie zu kämpfen. Es sei klar, dass nach dem Urteil des Verfassungsgerichts mehr gespart werden müsse – aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. „Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang“, so Özdemir. Sie würden der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bauern schaden. Sein Kompromissvorschlag könnte also sein, dass Steuervergünstigungen reduziert, aber nicht gestrichen werden. Offenbar ist das vielen Bauern nicht genug – oder sie glauben Özdemir nicht. Özdemir bekommt für seine Haltung aber nicht nur Feuer von Bauern, sondern auch von Umweltschützern. „Keinen Arsch in der Hose“, so Martin Hofstetter, Agraringenieur bei Greenpeace.[3] Özdemir setzt sich also zwischen alle Stühle, ohne dass ihm das Kuschen und um Sympathie-werben irgendeinen Erfolg bringen würde …

Was aber die Lufthansa schaffte (die ausschließliche Verteuerung der Inlandsflüge zu verhindern), daran scheiterte Özdemir grandios. Schlimmer kann man vom Bundeskanzler und den Kolleg*innen in der Koalition nicht vorgeführt werden. Es gibt Politiker*innen, die aus geringfügigerem Grund für zurück traten.

Quellen:

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/einigung-haushalt-2024

[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/die-ampel-muss-weg-bauern-sagen-regierung-bei-demo-in-berlin-den-kampf-an-10944889.html

[2] https://www.capital.de/wirtschaft-politik/warum-cem-oezdemir-ploetzlich-gegen-seine-eigene-regierung-demonstriert-34299522.html

[3] https://taz.de/Oezdemir-auf-Bauerndemo/!5977780/

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2 Gedanken zu „Von Planlos über Chaotisch nach Nicht-Regierungsfähig“

  1. Neija, das mit den Flugticketpreisen ist ja nicht so tragisch:
    Derzeitiger Stand: Bei Zielen, die bis zu 2500 Kilometer entfernt sind, werden 12,77 Euro pro Passagier und Flug fällig, bei Strecken bis zu 6000 Kilometern sind es 32,35 Euro und darüber hinaus dann 58,23 Euro. Die Abgabe könnte im Schnitt um gut 50 Prozent steigen, so Vermutungen.

    1. Nun, gut wäre BEIDES gewesen, dass auf die Kerosinbefreiung Inland verzichtet wurde ist eine “Lex Lufthansa”, kostet Geld und stabilisiert die weitgehend überflüssigen Inlandflüge, die in 90% genauso gut per Bahn erfolgen könnten (zumindest, wenn diese endlich zuverlässig fahren würde).

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