Gastbeitrag von Dietrich Schulze-Marmeling, 31.1.2025
Der 29. Januar 2025 wird wohl in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen.
Zunächst erinnerte der Bundestag an die Opfer des Holocausts. Anschließend wurde mit den Stimmen der AfD, vom VS als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft, Friedrich Merz‘ Fünf-Punkte-Plan „für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“ verabschiedet. Mit den Stimmen einer Partei, die eine „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ fordert, vom „Schuldkult“ spricht, deren Repräsentanten die “ Bestrafung der „Volksverhetzung“ abschaffen will, worunter etwa die Leugnung des Holocaust fällt. Mit den Stimmen einer Partei, die Antisemiten (einschließlich Holocaust-Leugnern) eine Heimat bietet. Und deren Chefin den Sieg der Alliierten im 2. Weltkrieg (und damit die Befreiung vom Nationalsozialismus) bedauert – die Deutschen seien ein „besiegtes Volk“, vom US-Imperialismus „versklavt“. Der irrlichternde Oskar Lafontaine; Koalitionspartner der CDU im Osten, sieht dies allerdings ähnlich.
„Krisen gibt es, seit es die bundesrepublikanische Demokratie gibt. Helmut Schmidt musste mit steigenden Ölpreisen fertig werden, Gerhard Schröder mit fünf Millionen Arbeitslosen, Angela Merkel mit der Implosion der Wall Street und der Pleite Griechenlands. Es war mal Teil des Nachkriegskonsenses, nicht gleich die demokratische Grundordnung infrage zu stellen, wenn es einmal wirtschaftlich nicht so gut läuft. Und vielleicht besteht die Krise der liberalen Demokratie darin, dass es diesen Konsens nicht mehr gibt, womöglich weil die disziplinierende Kraft der totalitären Exzesse des 20 Jahrhunderts mit zunehmenden zeitlichen Abstand allmählich ihre Wirkung verlieren. Fortschritt ist keine Selbstverständlichkeit: Auf die Antike folgte das Mittelalter.“
Mark Schieritz: Verlernen wir die Demokratie? In: Die Zeit v. 23. Januar 2025
„Der Politikwissenschaftler Tomas Biebricher bringt es in seinem lesenswerten Buch „Mitte/Rechts“ auf den Punkt: Nicht de zerrütteten Linken, sondern die mächtigen Konservativen entscheiden über das Schicksal der liberalen Demokratie. Auch wer politisch an anderen Ufern unterwegs ist, hat jetzt Grund zur Sorge.
(…)
Warum nannten deutsche Christdemokraten nach dem Zweiten Weltkrieg sich nicht einfach ‚Konservative‘? Nun der Konservativismus war damals moralisch ruiniert. Von einigen bewundernswerten Ausnahmen abgesehen, hatten konservative Eliten die Weimarer Republik bekämpft und dem barbarischen Heiden Adolf Hitler den braunen Teppich ausgerollt. Erst auf den Trümmern Deutschlands besannen sich Konservative auf christliche Wurzeln und nahmen Abschied vom Antimodernismus des 19. Jahrhunderts. Unter Schmerzen akzeptierten sie eine egalitäre Verfassung mit Parlamentarismus, Gewaltenteilung und Pressefreiheit, kur: Sie fanden sich mit der für gläubige Menschen schwer erträglichen Tatsache ab, dass in einer Demokratie die ewige Wahrheit tagtäglich zur Debatte steht.“
Thomas Assheuer in der „FAZ“ v. 24.11.2023
„In einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama benannte Maximilian Krah CDU und CSU als ‚Hauptfeind‘, von dessen Zerschlagung seine Partei erheblich profitieren würde. ‚Die politische Rechte kommt nur dann zum Erfolg, wenn die Christdemokraten verschwinden‘, erklärte Krah mit Blick auf Frankreich und Italien, wo die traditionell konservativen Kräfte ins Hintertreffen geraten sind.
Ein ähnliches Szenario schwebt Krah offenbar auch in Deutschland vor. Er will mit der AfD die stärkste Partei in der rechten Hälfte des politischen Spektrums werden, Voraussetzung dafür sei laut eigener Aussage ‚die Implosion der CDU‘. Die Zerstörung der CDU in zwei Teile – einen rechtskonservativen und einen, der am ‚Ende eine Art Grüne 2.0 ist‘ – sei das Ziel, so Krah. Die CDU bezeichnete er als ‚strategischen Hauptgegner‘.“
Quelle: „Kölner Stadtanzeiger“
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Am 1. Juni 2019 wurde Walter Lübcke, CDU-Mitglied und Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel, von einem Rechtsradikalen aus dem AfD-Umfeld (er beteiligte sich aktiv am Wahlkampf der Partei) ermordet.
Vorausgegangen war eine rechtsradikale Hetzkampagne im Netz, an der sich auch die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, nun bei der AfD, beteiligte. Sie hatte u.a. einen bekannten Reichsbürger-Clip auf Twitter und Facebook verlinkt. Die sich unter dem Post anhäufenden Droh- und Mordaufrufe gegen Lübcke wurden von ihr nicht entfernt.
Nach dem Mord wurden die sozialen Netzwerke mit hämischen Kommentaren geflutet. Auch wurde die Tat gefeiert. Mario Reschke, AfD-Kreisvorsitzende, bezweifelte einen Mord an Lübcke, sprach von „gezieltem Rufmord“, nach dem „der Betreffende“ „einfach mal tot“ aufwache. Der AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Müller blieb beim Gedenken für Lübcke im Bayerischen Landtag sitzen. Für den AfD-Politiker Wolfgang Gideon war der rechtsextreme Terror nur ein „Vogelschiss“ im Vergleich zum islamistischen und linksradikalen Terror in Deutschland.
Für den CDU-MdB Marco Wanderwitz, von 2020 bis 2021 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie sowie Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, ist die AfD der „parlamentarische Arm des Rechtsextremismus und – terrorismus.“
Nach dem Attentat schien es so, als habe die CDU nach zu diesem Zeitpunkt bereits über 200 rechtsradikalen Morden in der Geschichte der Bundesrepublik endlich verstanden. Statistisch betrachtet ist Deutschland die Hochburg des Rechtsterrorismus‘ in Europa. In keinem anderen europäischen Land kamen so viele Menschen durch Rechtsterroristen ums Leben wie in Deutschland. Auch sind hier weit mehr Menschen durch Rechtsterrorismus denn durch Linksterrorismus umgekommen.
* * *
Nach dem Mord an Walter Lübcke schrieb der Parteivorstand der CDU in einer Erklärung: „Die Entfesselung extremer rechter Gewalt bis hin zu Rechtsterrorismus gedeiht in einem Umfeld rechten Hasses und rechter Hetze im Internet und in sozialen Medien. Die geistigen und sprachlichen Propagandisten von Hass und Ausgrenzung haben den Weg zur Gewalt bereitet. Führende Repräsentanten der AfD und nicht wenige ihrer Mitglieder beteiligen sich bewusst daran. Sie tragen damit Verantwortung für die gezielte Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas und die Verrohung des politischen Diskurses in unserem Land.
Wer die AfD unterstützt, muss wissen, dass er damit bewusst auch rechtsradikalen Hass und Hetze, extreme Polarisierung und persönliche Diffamierungen in Kauf nimmt. Und wir wissen, wie persönliche Diffamierungen letztlich zu Morddrohungen, Gewalttaten bis hin zum Mord führen können. Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. Er muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die ein ideologisches Umfeld unterstützt, aus dem der mutmaßliche Täter von Walter Lübcke gekommen ist.
Die Ermordung Walter Lübckes ist eine Zäsur und muss uns eine Lehre sein. Er steht für zahllose Menschen, die sich vor Ort für andere haupt- und ehrenamtlich engagieren. Polizei, Justiz, Verfassungsschutz müssen Rechtsterrorismus mit aller Konsequenz bekämpfen. Hier kann es keine Nachsicht oder Relativierung geben. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus und für die freiheitliche Demokratie ist aber nicht nur eine Angelegenheit der Sicherheitsbehörden, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, diesen Entwicklungen entgegenzutreten nicht erst bei physischer Gewalt, sondern schon dort, wo gehetzt und ausgegrenzt oder Gewalt verharmlost wird. Deshalb ist es auch wichtig, menschenverachtende Kommentare in den sozialen Medien aufs Schärfste zu missbilligen.“
Schon damals beunruhigend: Bei Teilen der CDU hielt sich die Empörung in Grenzen – irgendwie doof, dass der Mörder kein Linker war, sondern ein Rechter … Und aus einem Milieu kam, gegenüber dem schon damals Teile der Partei die Brandmauer abbauten. Was den Abbau dieser störte.
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Der 29. Januar 2025 wird wohl in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen.
Zunächst erinnerte der Bundestag an die Opfer des Holocausts. Anschließend wurde mit den Stimmen der AfD, vom VS als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft, Friedrich Merz‘ Fünf-Punkte-Plan „für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“ verabschiedet. Mit den Stimmen einer Partei, die eine „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ fordert, vom „Schuldkult“ spricht, deren Repräsentanten die “ Bestrafung der „Volksverhetzung“ abschaffen will, worunter etwa die Leugnung des Holocaust fällt. Mit den Stimmen einer Partei, die Antisemiten (einschließlich Holocaust-Leugnern) eine Heimat bietet. Und deren Chefin den Sieg der Alliierten im 2. Weltkrieg (und damit die Befreiung vom Nationalsozialismus) bedauert – die Deutschen seien ein „besiegtes Volk“, vom US-Imperialismus „versklavt“. (Der irrlichternde Oskar Lafontaine; Koalitionspartner der CDU im Osten, sieht dies allerdings ähnlich.)
Auf der Pressetribüne beobachtete der „Spiegel“: „Nur die AfD jubelt nach Verkündung der Abstimmungsergebnisse. Die Union wirkt ernst, also diejenigen, die überhaupt da sind. Die Reihen sind sehr leer. Sie hat ihr Ziel erreicht, aber sie wirkt nicht, als habe sie gewonnen. (….)
Was für ein Erfolg dieser Tag für die AfD ist, lässt sich an den Gesichtern ihrer Abgeordneten ablesen: Grinsend sitzen sie auf ihren Stühlen, umarmen sich. Alles dreht sich jetzt um sie, die Partei hat ihr Ziel erreicht.“
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, feierte das Abstimmungsergebnis als „wahrlich historischen Moment“. Er dankte Merz, dies erreicht zu haben. Nun sei das Ende der „rot-grünen Dominanz“ in Deutschland gekommen. „Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an. Sie können folgen, Herr Merz, wenn Sie noch die Kraft dazu haben.“
Dass Merz den Schulterschluss mit einer Partei,
die für Josef Schuster, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, eine Gefahr für das jüdische Leben darstellt, am Tag des Holocaust-Gedenkens vollzieht, ist mehr als nur geschmacklos. Aber vielleicht auf typisch Merz – ein Mangel an Sensibilität und historischem background.
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Die „Brandmauer“ ist nun mehr als nur porös, auch wenn Merz und Co. die Möglichkeit einer schwarz-blauen Koalition bestreiten.
Was hat sich Merz bei seinem Tabubruch eigentlich gedacht?
Natürlich verursacht Migration auch Probleme und strapaziert eine Gesellschaft. Natürlich darf und muss man diese Probleme diskutieren. Sogar über Obergrenzen darf man diskutieren. Und sicherlich ist in der Diskussion um Migration einiges schief gelaufen.
Aber die schreckliche Tat von Aschaffenburg ist kaum der richtige Aufhänger. Der ebenfalls psychisch kranke Amokläufer von Erfurt, der 15 Menschen erschoss, hatte keinen Migrationshintergrund. So wenig wie der Amokläufer von Euskirchen 1994 (sechs Tote), der Amokläufer von Bad Reichenhall 1999 (vier Tote), der Amokläufer von Winnenden und Wendlingen 2009 (15 Tote), die Amokläuferin von Potsdam 2021 (vier Tote), der Amoktäter von Hamburg-Alsterdorf 2023 (acht Tote) usw. Der Amokfahrer von Magdeburg (fünf Tote) hatte zwar einen Migrationshintergrund, war aber ein glühender Fan der AfD.
Nimmt man die Amoktaten von München 2016 (neun Tote), und Hanau 2020 (10 Tote) hinzu, beide Taten wurden von Rechtsradikalen begangen, ergibt sich folgendes Bild: Der Amokläufer hat in der Regel keinen Migrationshintergrund. Ist Amoklauf etwa ein ziemlich deutsches Problem? Dazu noch eines, das in rechtsextremistischen Kreisen stark verbreitet ist?
Für Christian Linder ist Aschaffenburg eine „Form des Staatsversagen“. Ja, die bayerischen Behörden haben in der Tat versagt. (Ministerpräsident? Markus Söder, CSU…) Aber der Vorwurf eines „Staatsversagens“ trifft vielleicht noch mehr zu, wenn mehrere hundert Rechtextremisten, gegen die Haftbefehle vorliegen, frei herumlaufen; wenn das KSK-Kommando der Bundeswehr und andere Einheiten des staatlichen Sicherheitsapparates von Rechtsextremisten unterwandert werden. Als „Staatsversagen“ darf man auch die NSU-Morde und Morde von Hanau werten – im Falle des NSU wurde mit Wissen des hessischen VS gemordet.
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Die Frage lautet also: Warum jetzt! Der „Spiegel“ schreibt: „Es ist zwar CDU-Chef Friedrich Merz persönlich abzunehmen, dass er die AfD bekämpfen will, dass er die vier Jahre seiner möglichen Kanzlerschaft nutzen möchte, um das Szenario einer AfD-Regierungsübernahme 2029 zu verhindern. Allerdings: Die Inkaufnahme der AfD-Stimmen im Bundestag, um eine Mehrheit zu erreichen, ist ein Tabubruch, der bleiben wird. Und womöglich hat dieser Tabubruch Merz‘ Kampf gegen die AfD nun nachhaltig beschädigt. (…) Beim Unionsklientel und darüber hinaus hätte Merz sicher besser punkten können ohne die Verknüpfung seines Fünf-Punkte-Plans mit der AfD. Denn der Tabubruch ist ja nicht Merz‘ Forderung nach verschärfter Migrationspolitik, auch wenn sie von vielen als rechtswidrig kritisiert wird.“
Merz hätte den (rechtlich unverbindlichen) Fünf-Punkte-Plan auch gar nicht zur Abstimmung stellen müssen. Es hätte gereicht, mit diesem in den Wahlkampf zu ziehen. Karl Adam schreibt auf Facebook: „Nach der ‚Vorarbeit‘, die bereits in den Kommunen und in den Landtagen, insbesondere durch ostdeutsche CDU-Fraktionen geleistet wurde, erfolgt jetzt die nächste Eskalationsstufe. Sie kommt zudem ohne Not: Die CDU könnte sofort für mehr Sicherheit auf deutschen Straßen sorgen, in dem sie konkreten Gesetzespaketen der ehemaligen Ampel zustimmt: Mehr Befugnisse für die Bundespolizei, Durchsetzung europäischer Migrationsregeln und Nachschärfungen bei der Terrorismusbekämpfung. All das liegt auf dem Tisch.“
Warum also anders und jetzt?
1. Merz ging es um eine möglichst glaubhafte Demonstration in Richtung AfD-Wählerschaft. Seht her, ich sprühe in Sachen Migration vor Tatkraft. Unter einem Kanzler Merz wird sich alles ändern!
Merz erklärt Stimmen für die AfD für „verlorene Stimmen“. Denn zu einer Regierungsbeteiligung der Rechtsextremisten würde es auf keinen Fall nicht kommen. Wer eine Änderung der Politik wolle, müsse für die Unionsparteien stimmen.
Bei der nicht besonders hellen Julia Klöckner hört sich das so an: „Für das, was ihr wollt, müsst ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.“
Was die AfD-Wählerschaft will, dokumentiert sie seit Jahren an der Wahlurne. Es ist eine Wählerschaft, die null Probleme mit Faschisten, Rassisten und Antisemiten hat, die auch die härtesten „Ausfälle“ ihrer Repräsentanten nicht irritiert. Im Gegenteil: Es wird applaudiert. Je härter, desto besser. Brennende Flüchtlingsheime, rechtsextremer Terrorismus? Kein Problem. Die Persiflage auf ihren Post traf den Nagel auf den Kopf: „Liebe AfD-Wähler, wenn schon Faschisten, dann CDU!“
Zur richtigen Einordung: Schlimm ist nicht, dass Klöckner mit AfD-Wählern reden will. Schlimm ist der inhaltliche Ausgangspunkt, den sie dafür wählt.
Merz‘ Kalkül geht nur dann auf, wenn er im Wahlkampf permanent einer schwarz-blauen Koalition eine Absage erteilt.
Nehmen wir mal an, Merz meint es mit dieser Absage wirklich ernst, was angesichts seiner Sprunghaftigkeit und eines bereits begangenen Wortbruchs schwierig ist. (Am 13. November 2024 hatte Merz im Bundestag erklärt:„Für die wenigen verbleibenden Entscheidungen, die ohne Bundeshaushalt möglich sein könnten, will ich Ihnen hier einen Vorschlag machen: Wir sollten mit Ihnen, den Sozialdemokraten, und Ihnen, die Grünen, vereinbaren, dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen in der Sache hier im Haus auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustande kommt.“)
Dann bleibt immer noch ein Problem. Der „Spiegel“: „Fortan werden all jene in CDU und CSU, die in den Kommunen und Ländern Mehrheiten mit der AfD sehen und nutzen wollen, auf Merz selbst verweisen.“ Und: Abgesehen von der AfD wollte niemand im Wahlkampf das Thema Migration. Niemand wollte der AfD zuarbeiten. Union und FDP wollten primär auf Wirtschaft setzen, die SPD auf Soziales und Frieden, die Grünen auf den Kampf gegen die Spaltung der Gesellschaft, das BSW auf Anti-Wokeness und Frieden, die Linke auf Inflation und Mieten. Das ist nun Vergangenheit.
* * *
Aber was passiert nach der Wahl? Noch einmal Karl Adam: „‚Es darf keine Kompromisse mehr geben‘, erklärt Merz nach dem grausamen Doppelmord von Aschaffenburg und führte damit die Logik künftiger Koalitionsverhandlungen bereits vor dem Start ad absurdum. Dass diese antiparlamentarische Volte im liberalkonservativen Spektrum immer mehr um sich greift, hat schon die FDP zu Ampel-Zeiten gezeigt, als sie – als kleinster Koalitionspartner! – SPD und Grünen ein FDP-Pur-Papier vorlegte, dass man unter Drohung des Koalitionsbruchs eins zu eins umzusetzen sollte. (…) Man schaue jetzt nicht mehr nach links und nicht mehr nach rechts – so die volkstümliche Logik Merzens, die an den (digitalen) Stammtischen und darüber hinaus sicher gut ankommt. Man könne ja schlecht nicht ‚das Richtige‘ tun, nur weil ‚die Falschen‘ zustimmen. Die verharmlosende Umschreibung dessen, was hier passiert, versteckt das Ausmaß der Katastrophe: Es ist also Merz, der das ‚Gemeinwohl‘ erkannt hat und jetzt – hier stehe ich, ich kann nicht anders – durchsetzen muss. Dass es für seine Pläne aber keine demokratischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag gibt, muss den antiparlamentarischen Spin seines Auftretens noch bestärken: In seiner Lesart stehen alle Parteien links der Mitte diesem Gemeinwohl im Wege und müssen sich nun entweder selbst verleugnen oder mit den Konsequenzen leben.“
Die absolute Mehrheit wird Merz nicht erringen. Eine Koalition mit SPD und/oder Grünen erfordert Kompromisse – womit Merz Gefahr läuft, seine neuen Wähler zu enttäuschen.
Folgendes Szenario ist durchaus denkbar: Die zur Show geführte Kompromisslosigkeit führt Merz in eine Sackgasse, wo als Option nur noch Schwarz-Blau bleibt – was die CDU möglicherweise zerreißen wird. (So stabil, wie die CDU dank ihrer Tabellenführung erscheint, ist sie ohnehin. Teile ihrer DNA stehen zur Disposition – wenn ich gen Osten blicke, dann ist sogar die „atlantische Orientierung“ nicht mehr in Stein gemeißelt. Eine „Brandmauer“ gibt es nur gegenüber der Putin-kritischen Linken, nicht gegenüber dem Putin-freundlichen BSW. Und – siehe unten – auch nicht gegenüber der ebenfalls Putin-freundlichen AfD. Interessant ein Essay von Herfried Münkler im „Spiegel“, das mit dem Satz endet: „Auf den ‚langen Weg nach Westen‘, als den der Historiker Heinrich-August Winkler die deutsche Geschichte interpretiert, könnte der kurze Weg nach Osten folgen“)
Neo-Hugenberg und Musk-Fan Mathias Döpfner wird dann mit Hilfe von „Bild“ und „Welt“ Stimmung für eine „stabile Regierung“ aus CDU und AfD machen –eventuell plus FDP (sofern der Partei der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelingt).
Eventuell ist diese Sackgasse aber auch von einigen Kräfte in den Unionsparteien gewollt, wird Merz von einem kleinen Zirkel von Musk-, Trump- und Stephen Bannon-Fans gesteuert. Sven Mau schreibt auf Facebook: „Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Der kalkulierte Tabubruch Friedrich Merz‘ und seiner Paladine bezüglich einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AfD bereits vor der Bundestagswahl im Februar ist ein wichtiger Bestandteil einer neokonservativen Strategie einer kleinen, aber einflussreichen Gruppe innerhalb der Union. Warum ist Merz diesen für ihn und die Union gefährlichen Schritt nicht ganz gefahrlos erst nach seiner Wahl zum Bundeskanzler gegangen? Weil die Union dafür mit SPD oder Grünen koalieren müsste, womit zentrale Teile der neokonservativen Agenda nicht umsetzbar wären. (…) Die Strategie des unnötigen gemeinsamen Abstimmens mit der AfD im Zuge einer rein symbolischen Frage ist der klare Versuch, eine mögliche Koalition mit Grünen und Sozialdemokraten bereits von vornherein nahezu unmöglich zu machen, sodass am Schluss nur eine – wie auch immer gestaltete – Zusammenarbeit mit der AfD übrig bleibt. Die Verantwortung dafür kann man, was bereits gestern im Bundestag geschehen ist, bequemerweise auf die progressiven Parteien schieben, deren ablehnende Haltung in der Migrationspolitik die Union ja geradezu dazu zwinge, aus staatspolitischer Verantwortung mit der AfD zusammen zu arbeiten, was eine Mehrheit der Deutschen ja eh so wolle.“
2. Merz‘ Ausflug in den Trumpismus: die Rechtslage interessiert mich nicht, die Umsetzbarkeit meiner Forderungen auch nicht, Kompromisse, wie sie die repräsentative Demokratie vorsieht, ebenfalls nicht, funktioniert nur im Kontrast mit dem amtierenden Bundeskanzler. (Es war ja zu befürchten: Sollte Trump die US-Wahl gewinnen, würden Teile der europäischen Konservativen seine Methoden übernehmen – Erfolg macht blind für Prinzipien.)
Warum war / ist Boris Pistorius so populär? Hier werden Erinnerungen an Helmut Schmidt wach, dessen Popularität über die Grenzen der eigenen Partei und deren Wählerschaft hinausstrahlte. Schmidt war ein schneidiger „Macher“, ein Mann der „klaren Kante“. Scholz ist in den Augen vieler Wähler ein Zauderer ohne Führungsqualitäten – und dies in fast allen Fragen. Nicht einmal die eigene Koalition hatte Scholz im Griff.
Der Politologe Helmut Däubler schreibt: „Die hohen Umfragewerte, die Pistorius genossen hat und trotz seines Rückziehers immer noch genießt, liegen nicht in herausragenden politischen Leistungen, sondern in seinem soldatisch-zackigen Habitus, der gegenwärtig offensichtlich für ein breites demokratisch gesinntes Publikum attraktiv ist. (…) Die Diskussion, ob Pistorius nicht der ‚schnittigere‘ und erfolgversprechendere Kandidat gewesen wäre, lässt sich als ein Beleg für das Comeback des demokratischen Hardliner deuten. (…) Die ‚Versuchung des Autoritären‘, wie es Wilhelm Heitmeyer formuliert und womit er auf die ‚autoritären Nationalradikalen‘ der AfD abzielt, hat selbst auf demokratische Politiker abgefärbt. (…) Sie surfen auf der Klare-Kante-Zeitgeistwelle und wollen damit ein breites Publikum, das noch nicht in die Fänge der Rechts- und Linkspopulisten geraten ist, wieder einfangen. (….) Der Schmidt’sche Kurs des vehementen Durchgreifens, bei dem kein langes Federlesen gemacht wurde (….) lässt sich als durchaus erfolgreiche Antwort auf damalige Demokratiegefährdungen und massive Wirtschaftskrisen deuten. (…) Die große Preisfrage für liberale Demokraten ist, wie die notwendige robuste Entschlossenheit gefördert werden kann, die es in einer wehrhaften Demokratie braucht, um demokratiegefährdende Kräfte einzuhegen – ohne dass Demokratie und Menschenrechtsbindungen zweitrangig werden.“
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Nur: Ist Friedrich Merz ein Helmut Schmidt 2.0? Wohl kaum. Hierzu fehlen ihm die analytische Tiefe, historisches Wissen, Charisma etc. Allein schon ein Blick auf die jeweilige Literaturliste zeigt: Im Vergleich zu Schmidt ist Merz politisch und intellektuell ein Leichtgewicht. Von Außen- bzw. Weltpolitik hat er wenig Ahnung. Hinzu kommen seine Sprunghaftigkeit und Arroganz. Auch Schmidt war arrogant, aber angesichts seiner Intelligenz und seines profunden Wissens nahm man ihm dies nicht übel.
Eine Demonstration von Tatkraft wäre nun, ein Verbot der AfD in die Wege zu leiten. Die Moderatorin und Schriftstellerin Annelie Fried: „Liebe Politiker aller demokratischen Parteien, tut mir einen Gefallen: Spart euch eure routinemäßigen, scheinheiligen Betroffenheitsbekundungen, euer In-Deutschland-gibt-es-keinen-Platz-für-Antisemitismus-und-Nie-wieder-ist-jetzt-Gerede, sondern überlegt euch endlich, ob ihr zulassen wollt, dass demnächst auch hier die Faschisten wieder (mit)-regieren. In diesem Deutschland, von dem das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte ausging und von Politikern ermöglicht wurde, die aus Hybris und Machtgier die Gefahr nicht sehen wollten. Das wäre ein wirklich nützlicher Beitrag am 27. Januar (und, nebenbei bemerkt, an jedem anderen Tag).“
Kritische Worte aber auch Richtung der Merz-Kritiker. Es ist ein bisschen wenig, wenn man ständig nur die Gesetzeslage betont, die dieses und jenes nicht gestatten würde. Diese Gesetzeslage wurde von Menschen geschaffen, kann folglich auch von Menschen verändert werden. Wenn auch nicht in dem Tempo, das sich Merz wünscht. Wer stets nur mit der Gesetzeslage argumentiert, nährt den Hang zum Trumpismus in der Politik: Da muss mal jemand kommen, der die Gesetzeslage ignoriert! Vor allem die europäische. „Germany First!“. Jens Spahn hat diese Parole bereist ausgegeben.
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Die AfD hat sich seit dem Mord an Walter Lübcke weiter radikalisiert. An der Spitze steht mit Alice Weidel der personifizierte Hass. In emails beschimpfte sie die Regierung Merkel (CDU!) als „Schweine“, als „nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des 2. WK“. Merkel und Co. würden versuchen, „das dt Volk klein halten, indem molekularen Bürgerkriege in den Ballungszentren durch Überfremdung indiziert werden sollen.“
Vor einigen Wochen versprach Friedrich Merz: „Wir arbeiten nicht mit einer Partei zusammen, die ausländerfeindlich ist, die antisemitisch ist, die Rechtsradikale in ihren Reihen, die Kriminelle in ihren Reihen hält, eine Partei, die mit Russland liebäugelt und aus der Nato und der Europäischen Union austreten will.“ Er werde nicht zulassen, dass in der CDU die „Brandmauer“ zur AfD falle. „Wenn wir das machen würden, wir würden die Seele der CDU verkaufen. Ich knüpfe mein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort.“
Aber Carsten Linnemann, Merz‘ Generalsekretär will ein Ende des „AfD-Bashings“ und ein Ende der Brandmauer: „Das Nazi-Bashing gegen die AfD und das Brandmauergerede (!) müssen aufhören. (…) Ja, da sind auch Rassisten dabei. (…) Wir müssen sie inhaltlich bekämpfen.“
Rassisten sind AUCH dabei…AUCH dabei sind sie wohl in allen anderen Parteien, so in der CDU, aber keineswegs nur dort. Bei der AfD darf man sich das AUCH sparen.
Und „inhaltliche Bekämpfung“ durch Anbiederung an die Positionen dieser rassistischen Partei? Linnemann hofiert eine Partei, die sogar andere europäische Rechtspopulisten und Rechtsextremisten als zu heavy empfinden. Und was die Wählerschaft der AfD angeht: Hier pflegte Parteikollege Wanderwitz eine realistischere Einschätzung: Zumindest im Osten sei nur ein geringer Teil der AfD-Wähler „potentiell rückholbar“, man könne darum nur „auf die nächste Generation“ hoffen.
Was die CDU-Spitze überhaupt nicht umtreibt: dass auch Politiker aus ihren eigenen Reihen vor dem rechtsradikalen Terror resignieren. So der Noch-MdB Marco Wanderwitz, der nicht wieder zur Wahl antritt: „Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen. Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden. Wir haben es als Zivilgesellschaft nicht geschafft, den Abgeordneten den Rücken zu stärken.“ Der Rückzug des Politikers wurde mit Achselzucken quittiert – bestenfalls.
In Sachsen wird die AfD vom VS als gesichert verfassungsfeindlich eingestuft. Was die sächsische CDU nicht daran hindert, zwei AfDler in den Kontrollausschuss des VS zu wählen – Rechtsradikale Verfassungsfeinde kontrollieren jetzt Rechtsradikale und Rechtsterroristen…
CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte kein Problem damit, während der Verhandlungen zu einer Regierungsbildung auch vertraulich mit der AfD zu reden – nahezu zeitgleich mit der Verhaftung von AfD-Aktivisten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines Umsturzes. Kretschmer traf sich mit dem sächsischen AfD-Boss Jörg Urban, der ein wesentlicher Grund dafür ist, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen die AfD Sachsen als rechtsextremistisch einstuft. Urban, so der VS, bediene permanent antisemitische und verschwörungstheoretische Narrative.
Des Weiteren wurde ein AfDler mit Hilfe der CDU Vorsitzender des Innenausschusses. Der Mann ist Schmuddelware allererster Güte: Lars Kuppi wurde 2018 wegen Beleidigung verurteilt, nachdem der Polizist auf seiner Dienststelle ausgerastet war. Kuppi hatte über den neuen Partner seiner ehemaligen Partnerin gebrüllt hat: „Das wird das Schwein nicht überleben.“ Im Prozess sagte ein Kollege aus dem Revier aus, dass Kuppi den Nebenbuhler „auf offener Straße niedergeschlagen“ habe. Kuppis Dienstwaffe wurde eingezogen, er wurde in eine Außenstelle des Reviers versetzt.
Aber die sächsische CDU betrachtet den rechtsradikalen Schläger als für den Vorsitz des Innenausschusses geeignet. Die (ultra-konservative) Deutsche Polizeigewerkschaft schloss Kuppi wegen eines öffentlichen Auftritts mit einem bundesweit bekannten Neonazi aus dem Verband aus.
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Im Januar 2024 demonstrierten in Deutschland Hundertausende gegen die AfD und Co.- Hunderttausende, von denen viele vermutlich bessere Demokraten und Staatsbürger sind als viele Politiker der selbst ernannten „demokratischen Mitte“. Einige dieser Politiker reagierten irritiert, denn die Demos wandten sich auch gegen die Tatenlosigkeit der Politik.
Friedrich Merz lobte die Bürger dafür, dass sie „für den Erhalt unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates, unserer Freiheit“ demonstrieren.
Doch schon damals öffnete Merz ein Hintertürchen für eine Kooperation mit den Rechtsextremisten. Mittels eines Tricks, dessen sich unlängst auch Harald Martenstein, ein Vertreter der Gattung „alte weißer Mann“ (kulturell gemeint – ich darf das aufgrund meines Alters sagen) in der „Welt am Sonntag“ bediente: Merz warnte davor, die AfD als „Nazi-Partei“ zu bezeichnen. Nein, die AfD ist nicht die NSDAP. Rechtsradikal und radikal verfassungsfeindlich ist sie trotzdem.
Als die AfD in den Bundestag einzog, drohte Alexander Gauland: „Wir werden sie jagen“. Gemeint war in erster Linie die CDU. Die Zerstörung der CDU als demokratisch-konservative Partei stand und steht noch immer ganz oben auf der AfD-Agenda.
Friedrich Merz wollte die AfD-Wählerschaft halbieren. Die bessere „Alternative für Deutschland“ sei die CDU. Das hatte bereits etwas von Disruption, möglicherweise ungewollt. Benötigen wir wirklich eine Alternative zur 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Grundgesetz?
Gelungen ist Merz genau das Gegenteil. Nicht ein einziges Prozentchen konnte Merz der AfD abjagen, stattdessen wurde sie zur 20 Prozent plus x-Partei. Und ihre Mitgliedschaft stieg um 37 %. – beides auch durch Merz‘ Einstimmen in den Kulturkampfsound der Rechtsradikalen. Dieser war ja keine Erfindung der CDU. Die Übernahme von Positionen der AfD hat diese in den Augen eines Teils der Öffentlichkeit normalisiert. Deren Wählern wird signalisiert: Schon okay, wenn ihr euer Kreuzchen bei den Rechtsextremisten macht! Daran ist nichts Anrüchiges!
Nicht die Grünen, wie Merz und Co. gerne behaupten, sondern ein auf „Bild“-Zeitung-Niveau betriebenes Grünen-Bashing hat die AfD stark gemacht. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther warf hier einigen Parteikameraden ein nahezu staatsgefährdendes Verhalten vor.
Der AfD hat auch geholfen, dass man das Land ständig am Rand zum Abgrund wähnte und den „Notstand“ ausrief. Der „Notstand“ ist die große Stunde der Faschisten. Denn der „Notstand“ erlaubt alles. Auch die Suspendierung von Verfassung und Demokratie. (Angefangen hat damit Horst Seehofer, der eine „Herrschaft des Unrechts“ konstatierte. Wo das Unrecht herrscht, wird Widerstand zur Pflicht – auch bewaffneter.)
Dieser Prozess, also die Stärkung des Rechtspopulismus und Rechtsextremismus durch inhaltlicher Anbiederung, war zuvor schon in anderen Ländern zu beobachten, sehr gut analysiert vom bereits erwähnten Thomas Biebricher (Thomas Biebricher: Mitte/Rechts. Die internationale Krise des Konservativismus, Berlin 2023). Biebricher thematisiert „die Radikalisierung der das völlige Verschwinden der Kräfte eines gemäßigten Konservativismus, deren angestammter Platz in der rechten Mitte zusehends verwaist.“ Die Krise des Konservativismus spiele eine „nicht zu unterschätzende Rolle im Rahmen einer anderen Krise, die weitaus mehr mediale und auch akademische Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat: die Krise der Demokratie.“
In Deutschland ist es noch nicht so weit wie in Italien oder Österreich, die CDU ist noch nicht komplett im Arsch. Natürlich trägt auch die „Ampel“ Verantwortung für den Aufstieg der AfD – allerdings in anderer Weise als Merz. Biebricher: „Die Schuld am Erstarken der AfD trägt sicherlich nicht alleine die CDU. Es gibt noch eine Menge anderer Gründe – und die Regierung gehört definitiv dazu.“ Doch habe es die CDU „bisher nicht geschafft, eine andere Art von Opposition zu verkörpern als die AfD. Sie surft auf der gleichen Unmutswelle und stachelt die Unzufriedenheit nur noch mehr an, wenn sie apokalyptische Bilder von der Deindustrialisierung oder von Deutschland als kranken Mann der Welt zeichnet. Ich glaube, dass die politische Mitte eigentlich etwas anderes von der CDU erwartet.“
Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, war in Sachen Eindämmung der AfD deutlich erfolgreicher als Merz. Günther ließ sich nicht von den Rechten die Themen diktieren, stieß nicht in deren Sound ein, schloss sich nicht deren Kulturkrieg an. Und stellte nicht da Thema Migration in den Mittepunkt seines Wahlkampfes.
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Im Januar 2024 äußerte ich die Überzeugung: Das Überleben der liberalen Demokratie wird wesentlich von der CDU abhängen. Weshalb wir im Kampf gegen den Rechtsradikalismus die CDU an Bord halten müssen. Kippt die CDU, ist der Kampf verloren.
Das sehe ich noch immer so.
Dietrich Schulze-Marmeling, 1956, Kamen. freier Publizist. Er hat zu friedenspolitischen Themen und zum Nordirland Konflikt geschrieben. Ist einer der bedeutendsten und produktivsten Autoren des Sportjournalismus zur Geschichte und Gegenwart des Fußballs. Besonders verdienstvoll sind seine Bemühungen um die Rekonstruktion der jüdischen Fußball Geschichte, die nahezu vollständig verdrängt war.