24.02.2025
Die Zwei-Wochen-Zeitschrift Ossietzky hat in ihrer Ausgabe 04/2025 einen Artikel von Hallo Wippingen vom 25. Januar 2025 mit dem Titel „ZDF-Fernsehgottesdienst aus Litauen zeigt Einsatzbereitschaft deutscher Panzer an der russischen Grenze“ in redaktionell leicht überarbeiteter Fassung übernommen.
Hier die Fassung der Zeitschrift Ossietzky:
Ein ZDF-Gottesdienst aus Litauen
Unter dem Motto »Friede auf Erden« übertrug das ZDF am 4. Advent (22.12.2024) einen Fernsehgottesdienst aus Rukla in Litauen, und zwar aus dem Lager der multinationalen Battlegroup (Kampfverband). Somit handelte es sich nicht um einen üblichen sonntäglichen Fernsehgottesdienst, sondern um eine extrem aufwändige Produktion, denn hierfür waren 25 ZDF-Mitarbeiter vor Ort erforderlich, zudem war ein Übertragungswagen samt Technik notwendig.
Zu den Kosten gibt der Sender keine Auskunft, verweist allerdings darauf, dass der ZDF-Staatsvertrag die rechtliche Grundlage für die Übertragung der Fernsehgottesdienste darstelle. Danach seien den Kirchen angemessene Sendezeiten für Verkündigungssendungen zu gewähren. Die Auswahl der Gottesdienstorte werde von den kirchlichen ZDF-Senderbeauftragten übernommen. Das ZDF trage die rundfunkrechtliche und technische Verantwortung.
Der Senderbeauftragte für ZDF-Gottesdienste, Pfarrer Stephan Fritz, begründet die Standortwahl damit, dass die evangelischen ZDF-Gottesdienste auch das Engagement zeigen sollen, das die evangelische Kirche für Menschen in Bereichen der sogenannten »Sonderseelsorge« ausübe, und hierzu gehöre auch die Militärseelsorge. Für Rukla sei die Entscheidung gefallen, weil hier die Bundeswehr in einem internationalen Kontingent im Einsatz sei und weil dessen Auftrag an Fragen rühre, die viele Menschen beschäftigten, so Fritz.
Dem kann man insofern folgen, als dass die Fragen der Kriegstüchtigkeit und der Auslandseinsätze durchaus von gesellschaftlicher Relevanz sind. In diesem vom ZDF übertragenen Gottesdienst zeigt sich allerdings eine enge Verzahnung zwischen Staat und Kirche, die angesichts der eindeutigen Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland auf eine Unterstützung der Kriegs-Eskalationspolitik der Bundesregierung und der Nato noch anrüchiger wirkt. Die Militärgeistlichen und der Gottesdienst werden zu einem Rad im Getriebe des militärischen Apparates der Bundeswehr. Niemand hat etwas dagegen, wenn Soldaten in ihrem Dienst ihre religiösen Bedürfnisse ausleben wollen. Die Übertragung dieses Gottesdienstes richtete sich aber nicht an die Soldaten, sondern an die religiöse Gemeinde in Deutschland. Dieser sollte offenbar nahegebracht werden, dass deutsche Soldaten 80 Jahre nach dem Ende des Überfalls Deutschlands auf russisches Territorium an den Grenzen zu Russland wieder in Stellung gehen dürfen. Die Frage, was zum heutigen Krieg in der Ukraine geführt hat, wird nicht erörtert, sondern es wird mit diesem Gottesdienst Propaganda für den Stellvertreterkrieg der Nato gemacht.
Wie schon zu Zeiten des Kaiser- und des Hitlerreichs und der von ihnen ausgelösten Weltkriege scheinen Kirche und Militär weiterhin Hand in Hand zu arbeiten. Gewiss ist die Bundeswehr im Unterschied zu jenen Zeiten eine Parlamentsarmee und weiß somit die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Ob sich jedoch ihr Tun im Einsatzfall mit der Botschaft ihres die Gewaltfreien und Pazifisten seligpreisenden Religionsstifters Jesus Christus verträgt, ist die große Frage. Was meinen die das Vater-unser-Betenden im militärischen Feldlager mit den Bitten: »Dein Wille geschehe im Himmel wie auf Erden. (…) Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen?« Und wenn auch auf der russischen Seite orthodox-christliche Geistliche ihre Soldaten begleiten, wem soll Gott dann beistehen?Extrem kritikwürdig an diesem ZDF-Fernsehgottesdienst ist die Vorführung der Einsatzbereitschaft deutscher Panzer in der Nähe der russisch-litauischen Grenze. Von den Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU wird dies allerdings nicht kritisiert werden, denn sie waren mit einer Vertreterin, bzw. einem Vertreter vor Ort dabei. Bedauerlich ist jedoch, dass die Parteien Die Linke und das BSW, die sich gern medienwirksam gegen eine Militarisierung der deutschen Gesellschaft darstellen, in diesem Fall zu keiner Stellungnahme in der Lage waren. Dies mag daran liegen, dass gerade kleinere Parteien auf eine wohlwollende Berichterstattung in den Medien angewiesen sind. Mit einer Kritik am ZDF, die kaum eine größere Öffentlichkeit erreichen würde, jedoch die Verantwortlichen im Sender verärgern könnte, hält man sich nach einer Abwägung der Vor- und Nachteile doch wohl lieber zurück. Oder das Thema Fernsehgottesdienst ist für diese kleinen Parteien so weit weg, dass man damit schlicht nichts anzufangen weiß.
Johann Müller (Ossietzky 04/2025, S. 122-124)