Henry Kissinger – US – Präsidentenberater

Gastbeitrag von Jonathan Schulze, 4.12.23

Henry Kissinger verstarb am 29. November 23 – der 100 Jährige, der von der Macht bis zum Schluss nicht lassen mochte. A. Baerbock schreibt zum Tod Henry Kissingers: In Deutschland geboren, von den Nazis vertrieben, zum US-Außenminister ernannt und mit dem Friedensnobelpreis geehrt: Mit Henry Kissinger ist eine Jahrhundertgestalt der internationalen Politik von uns gegangen. 

Wirklich Baerbock? Kein einziges kritisches Wort über einen Mann, der mit Kambodscha, dem Putsch in Chile und dem Putsch in Indonesien (nur eine makabere “best of” seiner Verbrechen) mehr Blut an den Händen hat wie kaum ein anderer “Staatsmann” seit dem Ende des 2. Weltkriegs? (Siehe dazu aktuelle Artikel in der taz und in the intercept). Stattdessen wird sein skandalöser Friedensnobelpreis hervorgehoben, eine Auszeichnung, die dieses schwedische Komitee für alle Zeiten zu einer Farce gemacht hat.

Der Mann hat ohne Zweifel eine erstaunliche Karriere hinter sich, weshalb die Bezeichnung Jahrhundertgestalt ohne Zweifel richtig ist. Er wurde nicht nur zum Inbegriff des skrupellosen Realpolitikers, der die vermeintlichen Interessen der USA rücksichtslos durchgesetzt hat, sondern sein Leben verkörpert auch die ganze Ambivalenz der menschlichen Spezies. Als jüdischer Junge aus Fürth selbst mit seiner Familie vor der NS-Diktatur geflohen, wurde er unter dem Deckmantel des Antikommunismus dann als erwachsener Mann zum größten Sponser von Putschisten und blutrünstigen Diktatoren. Die Verbrechen in Chile sind ja bekannt, weniger bekannt ist, dass unter Suharto in Indonesien KZ ähnliche Lager mit Zwangsarbeitern für politische Gefangene errichtet wurden. Die Gefangenen dort wurden für amerikanische Konzerne wie Goodyear zu Tode geschunden. Alles mit bestem Wissen und der willigen Unterstützung der CIA und Kissingers.

Es ist aber vor allem seine Rolle in Chile hervorzuheben, weil sie so stark im globalen Gedächtnis verhaftet ist. Dort hatte eine breite Weltöffentlichkeit zum ersten mal bewusst wahrgenommen, wie eine demokratisch gewählte Regierung von einer von den USA aktiv unterstützen Junta aus dem Amt geputscht wurde und als Folge dessen tausende regierungstreue Frauen und Männer bestialisch gefoltert und ermordet wurden. Dieses Ereignis hat eine ganze Generation unglaublich politisiert und das Ansehen der USA und des Westens für Jahrzehnte geschädigt. Ich glaube, dass es nicht übertrieben ist zu sagen, dass Chile so etwas wie die Gretchenfrage von Progressiven und Menschenrechtsaktivisten war und ist. Wer nicht klar und eindeutig sagen kann, dass Pinochet ein brutaler Diktator eines mörderischen Regimes war, hat mit einer auf Menschenrechten, Humanität und Demokratie basierenden Politik nicht viel am Hut. Gleiches gilt auch für Kissinger.

Aus meiner Sicht ist dieses Statement daher ein weiterer Offenbarungseid von Baerbock und den Grünen. Es zeigt, die Grünen sind schon längst keine linke/progressive Partei mehr und eine wertebasierte Außenpolitik findet nur dann statt, wenn sie zufällig den militärstrategischen und wirtschaftlichen Interessen entspricht. Damit liegt sie ganz auf der Linie der CDU und den anderen bürgerlichen Parteien. (Leider hatte Annalena wohl nicht mehr die Gelegenheit ein zärtliches gemeinsames Fan-Foto mit H. Kissinger zu machen, so wie es Merkel noch vergönnt war).   

Jonathan Schulze, 1982, lebt in Bonn, studierte Geschichte und Politik mit Schwerpunkt auf amerikanischer Außenpolitik. Studium an der New York University. Nach dem Studium Arbeit in Indonesien im Rahmen der deutsch-indonesischen Entwicklungszusammenarbeit, sowie für ein Umweltforschungsprojekt in Pakistan. Zur Zeit arbeitet Schulze für das von der EU finanzierte Klimaanpassunsprojekt Land for Climate.

Hintergrund (verfügbar bis 28.2.23)
Arte- Henry Kissinger, Geheimnisse einer Supermacht
haGalil- Verdrängte Geschichte, verklärtes Idol – Zum Tode von Henry Kissinger

Please follow and like us: