GRÜNE Chinapolitik neu ausrichten!

Die deutsche Chinapolitik muss diskutiert werden.

Gastbeitrag von Jürgen Kurz, 19.6.2023

Aktueller Hinweis: Unterdessen hat sich zu diesem Beitrag Ralf Roschlau mit einem umfangreichen kristischen Diskussionsbeitrag zu Wort gemeldet.
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A. Baerbock
– Leider die falsche Frau am richtigen Platz

Folgt man unserer Außenministerin, die vor kurzem das erste(!) Mal in ihrem Leben China besuchte, dann ist China hauptsächlich ein Gegner des Wertewestens (was immer das auch ist). Dass sie China als Gegner sieht, kann man auf diplomatischer Bühne natürlich nicht allzu deutlich sagen. Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China sind zu groß, also verbarrikadiert sie sich hinter dem “Dreiklang” China sei Wettbewerber, Partner und Rivale… Dabei legt sie wie viele andere in unserer Partei – wer von Bündnis 90/DIE GRÜNEN kennt aber das Land tatsächlich von innen ? – ihren Schwerpunkt auf die angebliche Rivalität!

DeRisking
– Kein neuer Begriff, aber auch nicht sehr originell.

„Kraftvoll“ verkündete sie nach ihrer ersten Chinareise im Bundestag, auf der sie sich einen nicht nur für Diplomaten peinlichen Schlagabtausch vor der Weltpresse mit Chinas neuem, sehr erfahrenen Außenminister geliefert hatte, wie “erschreckend” der Besuch war. Gleichzeitig machte sie dann aber deutlich, dass sie nicht für Entkopplung von China, sondern für „DeRisking“ eintritt. Kein neuer Begriff, aber auch nicht sehr originell.

Die deutsche Wirtschaft und ihre „naiven“ Führungskräfte haben ganz sicher darauf gewartet, dass eine Außenministerin, die nicht im Verdacht steht in der Wirtschaft gearbeitet und Verantwortung übernommen zu haben, mit der bahnbrechenden Erkenntnis kommt, Risiken zu minimieren. Endlich bringt mal jemand die Themen Risikokontrolle und Diversifizierung auf die Agenda global agierender Unternehmen.

Kann man diese grüne China-Politik ernst nehmen?

  • Was wollen wir GRÜNE heutzutage mit unserer Chinapolitik erreichen?

Wollten wir nicht die Welt zum Guten weiter entwickeln und ein gleichberechtigtes, friedliches Miteinander auf unserem Planeten und mit unseren Nachbarn fördern? Erreicht das die GRÜNE-Chinapolitik?

  • Was bezweckt Annalena mit ihrer bisher groß angekündigten, aber immer noch nicht vorgestellten China-Strategie?

Man weiß es nicht. Wahrscheinlich weiß sie es wie viele in dieser Partei auch nicht und bedient in ihrer Unsicherheit, hauptsächlich Beifall suchend, bei uns ihre politische Echokammer.

  • Hilft das irgendjemandem auf dieser Welt? Nein!

Und wenn man ehrlich zu sich selbst ist, dann muss man fragen: Reicht das für das Amt der Außenministerin? Reicht das im Umgang mit dem einflussreichen, stetig aufstrebenden China? Wohl kaum.

Gegner China? Die Fakten sprechen dagegen!

China hauptsächlich als unseren Gegner zu behandeln, macht keinen Sinn. Die Fakten sprechen dagegen! China ist nicht nur die größte Volkswirtschaft Asiens. Das Land ist auf dem Weg weltweit der größte Player zu werden, im zukünftigen wirtschaftlichen Zentrum der Welt, Asien.

China wächst und entwickelt sich weiter. Den Menschen in China geht es Stück für Stück besser. Und nicht nur den Menschen in den Mega-Städten, Nein, auch den Menschen im ländlichen Raum! Ich sehe es immer wieder mit eigenen Augen. 2021 meldete China nicht umsonst das Ziel die Armut im ganzen Land zu überwinden, sei erreicht. Das waren keine Fake-News!

China investiert nicht nur in seine eigene Entwicklung. Die hoch qualifizierte Führung weiß sehr gut, dass die Entwicklung Chinas nur in Kooperation mit sehr vielen anderen Ländern erfolgreich ist. Mit der “Belt and Road Initiative” (BRI) hat China wohl das weltweit ambitionierteste Entwicklungsprojekt der Geschichte aufgelegt – erfolgreich! Man tut damit viel Gutes, egal was der Westen dazu sagt.

Chinas globaler positiver Einfluss als Partner und Investor in Infrastrukturprojekte im globalen Süden genau da, wo sie am dringendsten benötigt werden, kann nur noch von jemandem geleugnet werden der es nicht sehen will.

Negativ ist dabei lediglich – aus Sicht des Westens, dass der westliche Einfluss zurück geht. Das erklärt auch das permanent nörgelnde Kommentieren jeder chinesischen Aktion im globalen Süden.

Die globale Bedeutung der G7, sie heißt mittlerweile nur noch die 7 größten “westlichen” Wirtschaftsnationen, schrumpft nicht zufällig Jahr für Jahr. Man sieht das auch an dem wirkungslosen Sanktionsregime des Westens gegen Russland. Die Mehrheit der Welt folgt den selbsternannten westlichen Regelbewahrern heutzutage nicht mehr!

Alles Entwicklungen, die sofort erkennbar sind, wenn man ohne Vorurteile auf die Welt und China schaut. China mag im Inneren anders aufgebaut sein als westliche Demokratien. Die Menschen in China genießen aber mittlerweile die gleichen Möglichkeiten und individuellen Freiheiten Ihr Leben zu gestalten, wie die Menschen im Westen und stehen hinter ihrem chinesischen System, das ihnen in den vergangenen 40 Jahren so viel Positives gebracht hat. Egal ob wir dies gut oder schlecht finden!

Was machen wir aber bei Bündnis 90/DIE GRÜNEN?

Wir stilisieren China zur großen Gefahr für unsere Demokratie und bilden uns ein, die Chinesen bedrohen uns. Im Gegenzug wollen wir China erklären, was dort alles falsch läuft und glauben damit etwas Gutes bewegen zu können. Glauben wir allen Ernstes, wir könnten aus dem entfernten Deutschland uns ein Urteil über die Lebensbedingungen in China erlauben, einem 1,4 Mrd. Volk mit 3000 Jahren Geschichte?

Die politischen Akteure im Westen bilden sich eine Meinung auf Basis von Berichten einer Handvoll Journalisten, die nach Stories dort gesucht haben, die westlichen Erwartungen vom fernen China entsprechen. Das Problem dabei ist, dass das Bild, das wir uns im Westen über China zusammensetzen, an Realitätsverweigerung grenzt!

Sogar die EU hat dies vor kurzem in ihrer Studie “United West, divided from the rest” erkannt. Nicht der chinesische Blick auf die Welt ist ein Außenseiter-Blick, wir in Europa sind mittlerweile global die Außenseiter.

Feministische Außenpolitik

Heute haben wir auf dem wichtigen Posten des Außenministers die erste Frau. Das ist gut so. Es ist sogar eine Grüne. Eigentlich perfekt. Aus unserer Sicht muss die Zukunft der Außenpolitik feministisch sein!

Außenpolitik war zu lange von männlichem Imponiergehabe und Machtstreben ausgefüllt. Politiker wie Putin und Selensky, deren Ego es ihnen verbietet Kompromisse zu finden, sind typische Repräsentanten dieses alten Politikverständnisses.

Aber betreiben wir durch diese Position auch feministische Außenpolitik? Ganz sicher nicht. Feministische Außenpolitik setzt nicht auf Machtgehabe (“Deutschland muss international seine Führungsverantwortung wahrnehmen“), sondern darauf zu helfen, wo es angebracht und erforderlich ist. Es geht darum einen positiven Beitrag zu leisten, um die Weltgemeinschaft zusammen zu bringen, damit sie die gemeinsamen Fragen und Probleme auf diesem Planeten solidarisch löst.

Diese Probleme sind vor allem: Die dramatische Veränderung des globalen Klimas und der Schutz aller Lebensräume, die globale Verteilungsgerechtigkeit, das Bekämpfen von Fluchtursachen und die Sicherung der friedlichen Koexistenz aller Menschen und ihrer Kulturen.

Feministische Außenpolitik setzt nicht auf lautstarke Machtfantasien, um ein vermeintlich korrektes Verhalten zu erzwingen und wie eine Gouvernante andere Länder belehren zu wollen. Sie sucht nach Gemeinsamkeiten und versucht da zu helfen, wo es erforderlich ist. Dabei geht es nicht darum, seine Ideologie durchzusetzen, sondern vorrangig darum, Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern, besonders von Frauen und Kindern.

Unsere Partei hat die politische Agenda der vergangenen 43 Jahre in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung in Europa entscheidend mitgeprägt. Die Chinesen haben es sich angeschaut und viel davon gelernt und angewendet. Das war gut so.

Anstatt China dafür zu kritisieren, sollten gerade wir positiv darauf schauen. Wer, wenn nicht die Chinesen selbst, soll in China den Umbau in eine Solarwirtschaft umsetzen? China dafür zu verurteilen, dass bei uns entwickelte Technologien dort angewendet werden, ist scheinheilig.

Viele Frauen in und außerhalb unserer Partei haben gejubelt, als die erste Frau als Außenministerin benannt wurde. Auch in China war man auf die Neue gespannt. Die letzten Konsultationen auf Außenministerebene haben aber gezeigt, dass diese Erwartungen stark enttäuscht wurden.

Deutschlands Außenministerin und die Grünen werden nur noch als Akteure am Katzentisch wahrgenommen. Sie sind da, aber niemand muss sie ernst nehmen. Sie bewegen nichts mehr und beglücken nur noch ihre Echokammer!

Annalena ist die falsche Frau am richtigen Platz!

Genau deshalb müssen wir unsere Chinapolitik neu ausrichten. Entlang von Fakten sollten wir tatsächlich eine grüne Handschrift in der Chinapolitik hinterlassen!

China ist heute weltweit der stärkste Protagonist neuer Energien, kämpft an allen Fronten am Umbau der Energiewirtschaft und am Erhalt der Umwelt und hat sogar als eines der wenigen Länder den Erhalt der Umwelt in seine Verfassung aufgenommen. (Article 26: The state shall protect and improve living environments and the ecological environment, and prevent and control pollution and other public hazards. The state shall organize and encourage afforestation and protect forests.)

Aus grüner Sicht ein geborener, zuverlässiger Partner im Kampf gegen den Klimawandel, bei dem wir sicher sein können, dass er nicht nach der nächsten Wahl einen komplett anderen Kurs verfolgt und mit dem unsere Wirtschaft kooperativ am Umbau globaler Kreisläufe hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften arbeiten könnte. Dem globalen Klima wäre mehr geholfen mit China beim Umbau zu kooperieren, anstatt China ideologisch als Gegner zu definieren.

Kooperation ist wichtiger als ein moralisches Überlegenheitsgefühl!

Die letzten Wahlergebnisse und Umfragen zeigen, dass es nicht reicht schöne Ziele zu formulieren (darin waren wir immer gut), apokalyptische Zustandsbeschreibungen den Menschen vorzusetzen und so zu tun, als wüsste man genau, wie man sich zu verhalten hat. Der moralische Duktus (“wir sind Gut”) ist nicht nur kontraproduktiv, er ist auch falsch und wirft uns zurück ins alte Kreuzrittertum.

Ich glaube fest daran, dass unsere ursprünglichen Ideen als GRÜNE hierbei viel Gutes bewirken könnten, wenn wir nur mit dem gebotenen Respekt uns dieser Aufgabe widmen würden. Sich aber als Hüterin einer imaginären internationalen Ordnung aufzuspielen und westliche Prinzipien hochzuhalten, ist alles andere als stringente grüne Außenpolitik.

Um welche internationale Ordnung geht es?

  • Wo ist der Gesetzgeber dieser Ordnung? Wer definiert was eine internationale Ordnung ist?
  • Gehört es zur internationalen Ordnung, wenn Länder unilateral Sanktionen gegen andere Länder aussprechen? Zumindest der Menschenrechtsrat der UN hat sich mit großer Mehrheit, dagegen ausgesprochen, dass Länder andere Länder im Alleingang ohne UN-Mehrheit mit Sanktionen belegen.
  • Wird Annalena Baerbock jetzt daraufhin die westlichen Länder, die hauptsächlich mit Sanktionen arbeiten, daran erinnern, dass diese Sanktionen gegen die internationale Ordnung verstoßen?

Die grüne Partei ist auf dem besten Weg, geopolitisch krachend zu scheitern.

Die Chinapolitik dieser Außenministerin ist unsinnig und führt zu einem Ansehensverlust Deutschlands und schadet zudem den Interessen der deutschen Wirtschaft. Und sie entspricht nicht den Gründungswerten unserer Partei, denn sie ist alt-kolonialistisch und steht mit ihrer angeblichen Wertebasiertheit in der Tradition der europäischen Missionars Bewegung des Mittelalters.

China ist unser wichtigster Handelspartner (ununterbrochen seit 7 Jahren!), aber auch ein Wettbewerber auf dem globalen Markt. Es ist aber ganz sicher kein Rivale! China hat keinerlei Ambitionen, sein System zu exportieren oder eine Weltherrschaft anzustreben.

Die grüne Chinapolitik sollte dies endlich zur Kenntnis nehmen und einen kooperativen, partnerschaftlichen Ansatz im Umgang mit China verfolgen!

Was grüne Chinapolitik mit seinem China Bashing zurzeit macht, ist unverantwortlich und hat nichts mit Klimaschutz, Menschenrechten oder Friedenspolitik zu tun!

Nach 20 Jahren Leben in und mit China kann ich nur dazu auffordern, reist nach China und in China mit der chinesischen Bahn (nicht DB!), sprecht mit den Menschen und macht euch heute ein eigenes Bild von diesem hoch modernen alten Land.


Zum Autor:

Jürgen Kurz, 67, Dipl. Ing. (FH), KV Mayen-Koblenz

Gründungsmitglied der Partei DIE GRÜNEN und für Bündnis 90/DIE GRÜNEN, 20 Jahre lang in Kommunalparlamenten als Fraktionssprecher und in vielen Ausschüssen, Verwaltungs- und Aufsichtsräten aktiv. Vier Jahre Mitglied im Landesvorstand in RLP

Heute General Manager in einem WFOE (Wholly Foreign Owned Enterprice), einem eigenständigen chinesischen Unternehmen in China, das er 2003 in Shanghai gegründet hat. Es gehört zu einem mittelständischen deutschen Weltmarktführer.

Seit 2011 mit einer Chinesin aus der Provinz Xinjiang verheiratet.

In den vergangenen 20 Jahren jede Provinz und jede Region in China besucht.

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3 Gedanken zu „GRÜNE Chinapolitik neu ausrichten!“

  1. Gut auf den Punkt gebracht!
    Ich kann die Einschätzung aus meiner langjährigen Arbeit auf dem afrikanischen Kontinent nur unterschreiben. China hat dort viel zur Entwicklung beigetragen und wird dafür geschätzt.
    Mit dem wohlfeilen China-Bashing bedienen wir nur unsere Echokammer – und entfremden uns noch mehr vom globalen Süden, der mit der dunklen Seite des “Westens” bestens vertraut ist.
    Das heißt natürlich nicht, dass wir uns nicht konsequent für Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen sollten – bei uns, unseren Verbündeten und in der weiten Welt.

    Bleibt zu hoffen, dass sich unsere Außen- und Geopolitiker die zwei Minuten Zeit nehmen, um sich den Beitrag zu Gemüte zu führen!

    1. Vielen Dank Florian,
      Ich freue mich sehr über deinen Kommentar.
      Kann alles was Du sagst unterschreiben.
      “Das heißt natürlich nicht, dass wir uns nicht konsequent für Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen sollten – bei uns, unseren Verbündeten und in der weiten Welt.” Besonders dieser Satz ist wichtig.
      Was aber viele nicht daran verstehen: Es ist wichtiger Ergebnisse zu erzielen, als öffentliche Aufmerksamkeit. Leider funktioniert Politik, auch bei den GRÜNEN, mittlerweile nach anderen Regeln.

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