Hessen wird Schwarz-Rot

Olaf Ice, 10.11.2023

Nun ist es raus. Nach 10 Jahren wechselt Boris Rhein den Koalitionspartner. Man strebe eine christlich-soziale (nein, die CSU kommt nicht nach Hessen) Koalition an. Die CDU-Gremien stehen zu 100% hinter dieser Entscheidung, den Koalitionspartner zu wechseln. Die SPD hat, für Kenner:innen der hessischen Szene, wenig überraschend, das Rennen beim Überbietungswettbewerb zum Ausverkauf fortschrittlicher Politik gewonnen. Darin hat diese Partei am Ende einfach doch mehr Erfahrung und die nötige Flexibilität.
Wer Nancy Faesers Rechtsschwenk als Innenministerin beobachtet und verstanden hat, konnte bereits vor der Wahl die Zeichen der Zeit verstehen: Die SPD steht in Hessen bereit, bei passendem Ergebnis Anschlussfähigkeit an die CDU zu beweisen. Abbau demokratischer Rechte ist für sie noch weniger ein Problem, wie den GRÜNEN. Sie sind von der SPD locker überboten worden. Bei aller bekannten Nachgiebigkeit der GRÜNEN gegenüber CDU-Wünschen, ob Autobahnbau, Flughäfen oder Umweltverschmutzung, das kann die SPD am Ende besser.

Der SPD wird nach Nancy Faeser empfohlen, sich im Zuge der künftigen Koalition auf mehr bezahlbaren Wohnraum, Aufstockung von Personal für Kitas und Polizei sowie ortsnahe Gesundheitsversorgung zu fokussieren. Mehr als drei Ministerien werden für die SPD nicht drin sein.

Mit anderen Worten: Interessant ist, was die SPD bereit ist, der CDU zu überlassen.

Die GRÜNEN hatten vier Ministerien, wären aber, wie unterrichtete Kreise verlautbarten, auch mit dreien zufrieden gewesen. Das ist beim Verlust von 5% Punkten auch nicht anders zu erwarten.

Sichtlich um Fassung ringend, erklärte der GRÜNE Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner:

„Die Entscheidung der CDU ist völlig unverständlich. Schwarz-grün hat Hessen in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich, verlässlich und vertrauensvoll regiert. Dieser Kurs kam an, es gab bei der Landtagswahl keine Wechselstimmung. Auch für die kommenden fünf Jahre hätten wir uns auf ein ambitioniertes und innovatives Regierungsprogramm verständigen können.

Die Sondierungsgespräche haben dafür in unserer Wahrnehmung eine gute Grundlage geschaffen. Angesichts des Wahlerfolgs der CDU waren wir GRÜNE bereit, uns sehr weitreichend zu verständigen. Insbesondere in der Migrationspolitik haben wir dies in den Sondierungen und sogar auch öffentlich in dieser Woche unterstrichen.“

Angeblich gelten „Koalitionen von CDU und SPD …  gemeinhin als nicht erstrebenswerte Not-Koalition, wenn gar nichts anderes möglich ist. Ihre Ergebnisse sind meist äußerst mager. Welche Not die CDU in die Arme der SPD getrieben hat, ist für uns nicht erkennbar. Man sei „… gespannt, wie künftig die Agenda der schwarz-roten Koalition aussehen wird und welche Vorhaben es gibt, die die CDU in den nächsten Jahren angeblich nur mit der SPD verwirklichen kann.“ Trotzig schließt die Erklärung: „Den künftigen Koalitionären rufen wir schon jetzt zu: Opposition können wir auch.“

Rhein und Faeser betonen, die Entscheidung für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen sei im „Interesse des Landes Hessen“ gefallen.

Die SPD auf der Skala real existierenden Opportunismus in Top-Form, bedeutet dies für die kommenden fünf Jahre: Schlimmer geht immer.

Nachdem die GRÜNEN vor 10 Jahren der völlig abgewirtschafteten CDU das Überleben in der Regierung ermöglicht haben und vor einem Jahr, nach dem Rücktritt Bouffiers halfen, Rhein zu inthronisieren, hilft die SPD dieser Partei nun, die Zeit zu überbrücken und in der Regierung zu überleben, bis die Republik „Reif“ für eine CDU – Rechtsradikalen Koalition ist. Die Parteien des offenen politischen Rückschrittes nähern sich bekanntlich dem  Zuspruch um die  60% bei Wahlen.

Natürlich beginnen nun sogleich die Spekulationen, ob Hessen eine Blaupause für den BUND sein könnte.

Ein Wort zu den hessischen GRÜNEN

Bereits unmittelbar am Wahlabend ließ die hessische Grünenspitze in ihren Statements ein erschreckendes Ausmaß an Realitätsferne erkennen. Offenbar in der sicheren Annahme, die Koalition trotz eines Verlustes von 5%-Punkten fortsetzen zu können, verkündete sie, immerhin sei das Wahlergebnis das „zweitbeste seit Bestehen der GRÜNEN“, also ein „Erfolg“. Nun verkündet die Parteispitze, der Kurs der nahezu vollständigen Unterwerfung unter die Wünsche der CDU in 10 Jahren, „kam“ beim Wahlvolk „an“ und „es gab keine Wechselstimmung“. Liebe Freundinnen und Freunde, auf welchem Planeten lebt ihr eigentlich?

Das Wahlergebnis spricht aber sowas von Wechselstimmung, wie es selten so eindeutig seitens der Wählerinnen und Wähler klar gestellt wurde. Auch wenn wir es schwer erträglich finden, zur Erinnerung:

Bei einer Wahlbeteiligung von 66,0% (2018: 67,3), sind die klaren Gewinner der Wahlen, die Schwarzen und die Blauen. Mit 34,6% (ein Plus von 7,6%-Punkten) für die CDU und 18,4% der Landesstimmen für die AfD (ein Plus von 5,3%-Punkten) kommt Konservativ bis stramm Rechts (inkludiert Nazis), auf satte 53%. Die FDP, die ebenfalls politisch eher dem konservativen Lager zugerechnet wird, hat es mit 5% (ein Minus von 2,5%-Punkten) gerade so in den Landtag geschafft, und erhöht den Faktor des Mitte-Rechtslagers auf 58%.

Natürlich, wenn man, wie das bei den hessischen GRÜNEN bis gestern üblich war, den Loverboy CDU in verliebter Verkennung der grausamen Wirklichkeit für den bevorzugten Gspusi hält, müssen wir uns nicht wundern, wenn diese Grünen sich nun wie die verlassene Geliebte aufführt.

Ach ja. Wo ist eigentlich Tarek Al-Wazir?

Weitere Infokanäle:

Nancy Faeser, Pressekonferenz Hessen

Boris Rhein, Pressekonferenz Hessen

Mathias Wagner. Pressekonferenz Hessen

https://www.sueddeutsche.de/politik/hessen-boris-rhein-cdu-gruene-spd-1.6301596

https://www.hessenschau.de/politik/landtag/ein-neues-kapitel-cdu-will-hessen-mit-der-spd-regieren-v13,koalition-verhandlungen-hessen-100.html

https://www.sueddeutsche.de/politik/faeser-fuer-koalitionsgespraeche-mit-hessen-cdu-bleibt-selbst-in-berlin-1.6301587

Please follow and like us:

Ein Gedanke zu „Hessen wird Schwarz-Rot“

  1. Ein Schlag ins Gesicht der hessischen Wähler. Hätte ich von Boris Rhein nicht erwartet.

Kommentare sind geschlossen.