Die bisherigen Brandmauern in der deutschen Politik werden mit atemberaubender Geschwindigkeit geschreddert. Die neueste Variante: Bei einem Besuch von Verteidigungsminister Pistorius in Indien nimmt ein gemeinsamer Bau von U-Booten mit dem Land Formen an. Der SPD-Politiker macht sich für den möglichen Rüstungsdeal stark.
Dabei ist davon auszugehen, dass diese – genauso wie die von Deutschland an eine andere illegale Atommacht, Israel, gelieferten U-Boote atomar bewaffnet werden. Ist die Geschichte Deutschlands mit Israel noch eine völlig andere als die mit Indien und mag daher erstgenannter Deal noch nachvollziehbar sei (für mich ist es ebenfalls nicht!), so ist dieser Handel mit Indien unentschuldbar und nicht zu vertreten.
Werden die U-Boote geliefert und werden sie atomar bewaffnet, so wird Indien damit eine Zweitschlagfähigkeit gegeben, welche in der nächsten Auseinandersetzung zur Eskalation und zum Ersteinsatz von Atomwaffen gegen Pakistan verleiten könnten.
Statt wie früher einmal zumindest unter den westlichen Mächten weitgehend unstrittig und einigermaßen eingehalten, keine Militärgüter und Waffen an die „Illegalen“ zu liefern, wird der Deal jetzt – weil er ja jetzt Russland schaden soll – als Erfolg gefeiert und verkauft.
Zur Klarheit nochmals der Hinweis: Indien hat den NVV (umgangssprachlich „Atomwaffensperrvertrag“) nie unterzeichnet und ist daher – anders als USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – eine der illegalen Atommächte (neben Pakistan, Israel und Nordkorea. Nordkorea hatte immerhin den NVV unterzeichnet und hatte ihn – rechtlich möglich – ordnungsgemäß aufgekündigt. Indien und Pakistan befinden sich seit ihrer Unabhängigkeit in einem mehr oder weniger heißen Kriegszustand wegen der Streitigkeit um das seinerzeit zwischen beiden Ländern aufgeteilte Kaschmir, das von beiden vollständig beansprucht wird. Im Juli 2002 standen beide Staaten Minuten vor einem atomaren Schlagabtausch.
s.a.: https://www.stoerfall-atomkraft.de/site/pakistan_und_indien/
https://www.stoerfall-atomkraft.de/site/laesst-sich-ein-atomkrieg-noch-verhindern/
Aufgrund einer Rückfrage etwas mehr Hintergrundinfo:
Indien verfügt bereits über russische Atom-bewaffnete U-Boote, die offenbar nicht ganz unproblematisch sind und offenbar ersetzt werden sollen. Auf den Stoerfall-atomkraft.de-Seiten findest du übrigens jede Menge weiteres Material.
https://de.wikipedia.org/wiki/Arihant
https://esut.de/2019/04/meldungen/see/12185/atom-u-boote-fuer-indien/
Und dass deutsche U-Boote atomar bewaffnet werden können, hat leider – m.W. entgegen Absprachen bei der Lieferung – Israel beweisen.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/israelische-atomwaffen-auf-u-booten-aus-deutschland-a-836645.html
Daher finde ich das hinterfragte „davon auszugehen“ mehr als berechtigt und erwartbar, alles andere wäre blauäugig. Dass Nicht-Atomwaffenstaaten mit U-Booten auch anderweitig jede Menge „Unsinn“ (im Sinne des Weltfriedens) machen können ist unbestreitbar. Gerade aber Ägypten ist ein schlechtes Beispiel, weil dieses Land meiner Einschätzung nach auch auf dem Weg zur Atommacht ist: https://www.spiegel.de/politik/ausland/diese-arabischen-laender-treiben-atom-programme-voran-a-1197608.html
Hauptsächlich ist hier (wie auch bei Saudi-Arabien und den Emiraten) die kommende Atommacht Iran der Gegner, aber auch die israelischen Atombomben dürften Teil der Überlegung sein. Auch hier droht also mittelfristig die atomare Bewaffnung der U-Boote.
Hintergrund: Zweitschlagfähigkeit
Vielleicht noch ein paar Sätze zum Hintergrund, da vermutlich nicht alle Leser*innen tief im Thema drin sind: Atom-bewaffnete U-Boote haben eine wesentliche Bedeutung für Atomwaffenmächte. Sie sind zweitschlagfähig! D.h. wird das Land von einem Gegner angegriffen, muss befürchtet werden, dass mit einem Erstschlag – wenn er massiv und genau genug ist und der Gegner die nötigen Informationen hat, droht die Gefahr „nuklear enthauptet“ zu werden, d.h. alle eignen Atomwaffen bzw. deren Abschuss (Raketen in Bunker oder an Flugzeugen oder auf LKW oder Zügen, letztere aber ohne Vorwarnung oft in Depots oder Bunker) oder Startmöglichkeiten können im Erstschlag vernichtet werden, bzw. die Flugzeuge abgeschossen werden.
Damit wäre die alte Atomkriegsthese „Wer als erster schießt ist als zweiter tot!“ vom Tisch und ein Atomkrieg wäre gewinnbar. Diese Überlegung wurde im kalten Krieg schon durchgespielt und ist auch heute noch in den köpfen einiger durchgeknallter Militärs. Mit Atom-bewaffneten U-Booten, die i.d.R. nicht zu orten sind und somit auch nach der völligen Vernichtung des Heimatlandes den Angreifer noch massiv beschädigen können, ist die Möglichkeit weitgehend vom Tisch. Die USA und Russland arbeiten schon lange mit dieser Option. Die USA haben zudem eine strategische Bomberflotte 365/24 in der Luft, inwieweit da Russland mithalten kann ist mir nicht bekannt, ich vermute mal eher nicht.
Frankreich, GB und China verfügen ebenfalls über Atom-bewaffnete U-Boote (https://www.reservistenverband.de/magazin-loyal/zweitschlag-garantie-strategische-u-boote-als-mittel-der-abschreckung/), Nordkorea hat immerhin bereits U-Boot-Fähige Raketensysteme. (Zum zitierten Texte: Der Reservistenverband spricht nur von „8“ Atommächten, Israel wird aus Staatsraisongründen offenbar nicht mitgezählt. Die im Text mehrfach erwähnten „SLBM“ sind U-Boot-gestützte ballistische Raketen.) Pakistan hat also als einzige Atommacht diese Technik NICHT, was die Lieferung noch gefährlicher macht.