Autorenpapier von Karl-W. Koch
Hamas und Israel sind an die internationalen Menschenrechte, das Völkerrecht und an die Genfer Konvention gebunden. Wenn eine Seite (Hamas) dies erkennbar nicht einhält, entbindet dies aber die andere Seite (Israel) NICHT von ihrer Pflicht, diese dennoch einzuhalten!
Heftig umkämpft sind offenbar die meisten (oder alle?) Krankenhäuser, zumindest im Norden Gazas. Die Israelische Armee (IDF) behauptet, dass sich Waffenlager oder Führungsquartiere der Hamas (oder beides) in oder unter den Krankenhäusern befinden.
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/gaza-shifa-faq-100.html und https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-waffen-krankenhaus-100.html
So gibt es auf der Station zur Behandlung von Verbrennungen im Dar-Al-Shifa-Krankenhaus nur noch einen Chirurgen und einen Anästhesisten. Durch Flucht und Kriegseinwirkung mangelt es an Ärzten und Pflegepersonal, an Desinfektionsmitteln, Verbandsmaterial, Schmerzmitteln und an sterilen Geräten, um wenigstens ein Mindestmaß an medizinischer Hilfe bei den Kriegsverletzten durchzuführen, die dann auch noch durch die laufenden Ereignisse massiv traumatisiert sind. https://www.merkur.de/politik/israel-hamas-libanon-terror-gaza-gegenoffensive-verluste-opfer-raketen-naher-osten-92594911.html
Zeugen in dem Dar-Al-Schifa-Krankenhaus berichteten der Nachrichtenagentur AFP am Telefon von ununterbrochenen Schüssen, Luftangriffen und Artilleriefeuern in der Nähe des Krankenhauskomplexes. Über eine nahe dem Krankenhaus installierte Live-Kamera von AFP waren den ganzen Tag über Schüsse und Explosionen zu hören. Auch andere Kliniken sind nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten betroffen. Ganze 20 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen seien „nicht mehr funktionsfähig“. https://www.fr.de/politik/israel-krieg-gaza-hamas-schifa-krankenhaus-patienten-beschuss-lebensgefahr-babys-zr-92669235.html
Durch Bombardierungen im unmittelbaren Umfeld des Dar-Al-Schifa-Krankenhaus gab es einige schwerstverletzte Kinder. Dem Autor liegen Fotos und ein unerträglich anzusehendes Video vor.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/schifa-klinik-gaza-israel-100.html
(siehe unter ERGÄNZUNG im Schlussteil dieses Textes).
Im Dar-Al-Shifa-Krankenhaus soll es (Stand 14.11.) mehrere Dutzend Tote durch den Zusammenbruch der elektrischen Systeme gegeben haben, Tendenz offenbar stark steigend. Die von der israelischen Armee angebotenen wenigen Hundert Liter Treibstoff für die Notstromaggregate werden als völlig unzureichend angesehen. Größere Mengen abzugeben, wird von Israel abgelehnt, die Hamas könne damit Bomben bauen und ihre Fahrzeuge betreiben.
Christian Lindmeier (Sprecher der WHO) hat in seinem Interview mit NDR Info am 14.11. mitgeteilt, dass das Al-Shifa Hospital allein täglich 17.000 Liter Benzin benötigt, um seine wichtige medizinische Arbeit zu verrichten. Die IDF erklärte, man habe dem Hospital 15 Kanister mit jeweils 20 Liter Benzin (insgesamt also 300 Liter) zur Verfügung gestellt. https://www.ndr.de/nachrichten/info/WHO-Sprecher-Die-Lage-in-der-Al-Schifa-Klinik-ist-unhaltbar,audio1508406.html#:~:text=
Die%20Al%2DSchifa%2DKlinik%20im,im%20Gespr%C3%A4ch%20mit%20NDR%20Info
Nach den Angaben des Al-Shifa-Hospitals befanden sich bei der heutigen Besetzung durch israelische Soldaten noch 600 Patienten im Krankenhaus, 100 in einem kritischen Zustand. 2000 bis 3000 Zivilpersonen haben im Krankenhaus Zuflucht gesucht, um dem Terror des Krieges zu entkommen, wobei ganz Gaza eine einzige Kriegszone ist und kein Platz mehr sicher. Das Krankenhaus selbst hat ca. 700 Angestellte, die ihre Patienten dennoch weiterhin unter schwierigsten Umständen versorgen. Die verbliebenen Ärzt*innen und das medizinische Personal sind die wahren Helden in diesem grauenhaften Kriegschaos.
Wir müssen uns das Ausmaß der humanitären Katastrophe vor Augen führen:
Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober wurden durch den israelischen Angriff auf Gaza bisher 13.421 Menschen in der palästinensischen Zivilbevölkerung getötet, davon 6.220 Kinder, 3.421 Frauen und 600 ältere Personen. insgesamt wurden bisher über 32.310 Personen verletzt.
Krankenhäuser sind keine Kriegsziele!
Die Rechtslage ist eindeutig, auch wenn es aktuell vereinzelt anders dargestellt wird.
Sanitätseinrichtungen, -personal und -transporte
Ortsfeste (z. B. Krankenhäuser), mobile (z. B. Feldlazarette) Sanitätseinrichtungen, Sanitätspersonal und Sanitätstransporte sind unter allen Umständen zu schonen (Art. 19, 24, 35 I GA I; Art. 12; 21 ZP I; Art. 9 I; 11 ZP II). Dies schließt auch Lazarettschiffe und Sanitätsflugzeuge samt deren Personal ein (Art. 22, 24, 25, 36, 38, 39 GA II; Art. 22-24 ZP I; Art. 11 ZP II). Sie sind deutlich mit dem jeweiligen Schutzzeichen, z.B. Rotes Kreuz auf weißem Grund, zu kennzeichnen (Art. 38 GA I). Gefangen genommenes Sanitätspersonal des Gegners erhält nicht den Status von Kriegsgefangenen, sondern wird, sofern es nicht zur medizinischen Versorgung der anderen Kriegsgefangenen benötigt wird, so schnell als möglich freigelassen (Art. 28 I GA I; Art. 33 I GA III).
Unverteidigte Orte
Wenn sich aber Personen an diesem Ort aufhalten, die durch dieses Abkommen und dieses Protokoll besonders geschützt oder Polizeikräfte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zurückgeblieben sind, sind die Voraussetzungen für einen unverteidigten Ort ebenfalls erfüllt (Art. 59 III ZP I).
Wenn ein Ort letztendlich zu einem unverteidigten Ort ernannt wird, dürfen die Konfliktparteien diesen nicht mehr angreifen (Art. 59 I ZP I). Damit die Neutralität eines unverteidigten Ortes gewahrt bleiben kann, sollte dieser mit einem Zeichen kenntlich gemacht werden, welches mit der anderen Partei vereinbart wurde und an Stellen angebracht ist, die deutlich sichtbar sind, wie zum Beispiel an Ortsenden, den Außengrenzen der Zone und an den Hauptstraßen (Art. 60 VI ZP I).
https://www.drk.de/das-drk/auftrag-ziele-aufgaben-und-selbstverstaendnis-des-drk/humanitaeres-voelkerrecht-im-kontext-des-drk/genfer-abkommen/ (Hervorhebungen durch den Autor)
DAS sehen die israelische Regierung und das israelische Militär offenbar anders:
„Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erneut ‚entsetzliche Zustände‘ im größten Krankenhaus des von der Terrororganisation Hamas regierten Gazastreifens beklagt. Es befänden sich mehr als 2.000 Menschen in der Al-Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1.500 Vertriebene, schrieb die WHO auf der Plattform X. Sie berief sich dabei auf das der Hamas unterstellte palästinensische Gesundheitsministerium. Demnach konnten Patienten unter anderem keine Dialyse mehr erhalten. Frühgeborene seien ohne Brutkästen in Operationssäle verlegt worden. Nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA starben dabei zwei Babys und zehn weitere Patienten. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/nahost-gaza-kliniken-102.html
Es starben also Frühgeborenen aufgrund der Angriffe und der verhinderten Versorgung mit Treibstoff für die Generatoren. Mehrere Dutzend, wahrscheinlich über Hundert Menschen, bei der Erstürmung und der vorangegangenen Blockade und Verweigerung von Treibstoff für Generatoren. Der Leiter der Klinik, Mohammed Abu Salmija, teilte mit, man habe (insgesamt) 179 durch Kriegseinwirkung Verstorbene in einem Massengrab auf dem Klinikgelände beigesetzt. https://www.tagesschau.de/ausland/asien/gaza-shifa-faq-100.html
Makabre Wirklichkeits-Werdung der Brutkastenlüge aus dem 2. Golfkrieg, als eine Verwandte des Herrscherhauses Al Shabah mit großartiger schauspielerische Leistung die verzweifelte Krankenschwester und Augenzeugin spielt. Einer der wesentlichen Kriegsgründe für das militärische Eingreifen der USA. https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/video-erster-irakkrieg-die-baby-luege-der-usa–102.html
Die israelische Armee argumentiert, ein Hauptquartier der Hamas befände sich im Untergrund, das es zu vernichten gälte. Die Hamas sei also allein verantwortlich. Diese Unterstellung wird im britischen Sender BBC von einem leitenden Arzt der Klinik bestritten: „… dass sich die Hamas in dem Krankenhaus aufhalte. Das sei ‚eine große Lüge“, sagte Chefchirurg Marwan Abu Saada. ‚Wir haben medizinisches Personal, wir haben Patienten und Vertriebene. Nichts anderes.‘“ https://www.tagesschau.de/ausland/asien/nahost-gaza-kliniken-102.html
Das Israelische Militär, vermutlich aufgrund von Befehlen der israelischen Regierung, verstößt also mehrfach und deutlich gegen die Genfer Konventionen. Eine Untersuchung durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen diese Straftäter*innen ist erforderlich, auch wenn Israel diesen nicht anerkannt hat. Dass Untersuchungen in Den Haag auch hinsichtlich der Hamas erfolgen muss wie gegen die Hamas-Befehlshaber, welche die Krankenhäuser als Deckung missbrauchen, ist eigentlich überflüssig zu erwähnen, ist selbstverständlich.
Ergänzung
Ich habe am 11.11. aus vertrauenswürdiger Quelle (grüner MdL, auf Wunsch gebe ich Kontaktanfragen weiter) ein Video (HIER verlinkt mit der SEHR DEUTLICHEN Warnung, dass die Bilder traumatisieren können/werden!) und eine längere SMS, beginnend mit:
Die Quelle hat selbst Migrationshintergrund, verfügt offenbar über gute und direkte Kontakte nach Gaza und ist völlig verzweifelt.
Es gibt bislang nach glaubwürdigen Quellen mehr als 6000 tote Kinder in Gaza, wie viele Verletzte im Zustand der gezeigten? 10.000? 15.000? Wie viele nächste Woche, nächsten Monat? Können wir dazu wirklich schweigen?
Ich war bisher noch nie so ratlos wie hier mit der Frage, was tun wir?
Eine Verab-Version des Textes mit Ergänzungen durch die Heise.de-Redaktion ist HIER erschienen: