Simon Lissner, 22.12.24
Zur vorgezogenen Bundestagswahl 2025 wird es ungewöhnlich schwer, die Bedingungen zur Kandidatur zu erfüllen. Parteien, die bisher weder im Bundesparlament noch einem Landesparlament vertreten sind, sammeln zurzeit Unterschriften, um überhaupt zur Wahl zugelassen zu werden. Bei der verkürzten Frist bis Februar ist das eine erhebliche Einschränkung. Die Unterschrift entscheidet nur darüber, ob die Partei die Unterstützung der Unterzeichnenden erhält, zur Wahl zu kandidieren. Das ist ausdrücklich kein Bekenntnis der Unterzeichnenden zur Programmatik solcher Parteien. Ob Mera25 und Volt es schaffen, die benötigten Unterschriften zu erhalten, ist offen.
Mera25 und Volt, sind vor allem unter jüngeren, politisch links orientierten Wähler:innen zurzeit die am häufigsten genannten kleineren Parteien, deren Wahl diese sich vorstellen können. Bei den Europawahlen erzielten die deutschen Ableger, dieser sich als paneuropäische Parteien verstehenden Vereinigungen mit 118.633 Stimmen, das entsprach 0,3% (Mera25) und 1.023.681 Stimmen, das entsprach 2,6% (Volt). Beide sind noch recht junge Parteien. Volt ist im Europaparlament mit 3 Sitzen aus dem deutschen Kontingent[1] vertreten.
Mera25
Die Partei Mera25 hat Ableger in mehreren EU-Ländern. Sie gilt als der parlamentarische Arm der Bewegung DIEM25 (Prominenter Gründer, Yanis Varoufakis). Zu den Unterstützer:innen gehören zahlreiche, international bekannte Prominente. Noam Chomsky, Elif Shafak, Brian Eno, Zoe Gardner, Julian Assange, John McDonnell, Ken Loach, Slavoj Žižek, Jean-Michel Jarre und andere, werden genannt.[2] Roger Waters[3] und Yanis Varoufakis verbindet wohl Politik[4] und Freundschaft.
Fundamentaler Kritikpunkt an MERA25:
Die Partei hat den Schwerpunkt zur Europa-Wahl auf die Kampagne „Freiheit für Palästina“ gelegt.
Auch für die Bundestagswahl ist ihr das Thema prioritäres Anliegen. Einer der Höhepunkte war die Palästina-Konferenz in Berlin, zu der Varoufakis nicht nach Deutschland einreisen durfte. Die Diskussion um die Einreisesperre überlagerte jedoch nicht, den links-antisemitischen Charakter des Kongresses zu diskutieren. MERA25 Vertreter:innen weigern sich beharrlich, die Hamas für das Massaker und die verbrecherischen Geiselnahmen vom 7. Oktober 2023 zu verurteilen und die Hamas dafür verantwortlich zu machen.
Beispielhaft dafür sei Varoufakis am 18.2. in Frankfurt am Main anlässlich der Europa-Wahl im Haus Gallus zitiert: „Ich verurteile nicht die Hamas, sondern jeden einzelnen Akt der Gewalt gegen Zivilisten“, sagte Varoufakis. „Ich verurteile die Unmenschlichkeit, aber ich unterstütze die Rebellion.“
Die Gleichsetzung und Verharmlosung der Hamas – Terrorherrschaft mit „Rebellion“ einerseits und andererseits der schwerste Vorwurf des Genozids und der Apartheid-Politik gegen Israel, sind ein Merkmal für linken Antisemitismus.[5] Mit dem propalästinensischen Schwerpunkt hat die Partei nun die Geister, die sie rief, und ob sie die wieder los wird/werden will, ist völlig ungewiss:
„Eine der Moderatorinnen dankt Varoufakis für seine „seltsame“ Antwort und Helge Peukert, der als Ökonom und Gast geladen, jedoch kein Mera25-Mitglied ist, stößt eine hitzige Diskussion bezüglich des Begriffs „Genozid“ und dem damit einhergehenden Vergleich zum Holocaust an.
Als Peukert im Zuge dessen später sagt, die Hamas würde nicht stellvertretend für alle Palästinenserinnen und Palästinenser stehen, werden Buhrufe im Saal laut. Eine Frau springt aus dem Publikum auf und ruft: „Sie repräsentiert die Palästinenser (Anm. SL, gemeint ist die Hamas). Ich bin Palästinenserin. Wer sind Sie, dass Sie diese Meinung haben? Wir haben das Recht, uns selbst zu verteidigen.“ Varoufakis gesteht sogar ein, dass er nicht mehr für eine Zwei-Staaten-Lösung plädiert, führt aber nicht aus, was er sich stattdessen erhofft.“ (ebd. S. Anmerkung 4).[6]
Finanzierung: Spendentransparenz und Rechenschaftsberichte.
Volt
Die Partei lässt sich wohl am besten als „irgendwie progressiv“ und in bester Tradition des pro-kapitalistischen Sozial-Liberalismus beschreiben, also das Spektrum, welches etwa die Sozialliberale Koalition (Brandt-Scheel, 1969-1974) abbildete.
Fundamentaler Kritikpunkt an Volt:
Die Partei schließt die Nutzung von Atomenergie nicht aus. Zwar findet sich dazu im Kurzwahlprogramm für Deutschland keine Aussage.[7] Der Verein Nuklearia, völlig unverdächtig der Nutzung von Atomenergie feindlich gesonnen zu sein, schreibt: „Zur Sicherung der Klimaneutralität ist Volt zum Weiterbetrieb bestehender Reaktoren bereit, solange die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden und zusätzliche Kosten vom Betreiber getragen werden. Neue Reaktoren sollen zugelassen werden, wenn diese ein passives Sicherheitssystem haben und robust gegenüber äußeren Einflüssen sind. Die Erforschung und Einführung neuartiger Reaktoren der 4. Generation auf Basis von Flüssigsalz, Schnelle Brüter und SMR soll gefördert werden.“[8]
Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Diese paneuropäische Partei hat Partner, z.B. in Frankreich, die stramm Pro-Atom sind. Für die Position von Volt dürfte das Statement von Volt Luxemburg stehen. Unter der Überschrift „Eine europäische, sichere und innovative Strategie für die Kernenergie“[9] heißt es da:
„Bestehende Reaktoren dürfen in ihrer jetzigen Form bis zum vereinbarten Ende ihres Lebenszyklus weiter betrieben werden. Sicherstellen, dass Laufzeitverlängerungen nur zulässig sind, wenn:
alle zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Sicherheitsvorschriften eingehalten werden;
der Langzeitbetrieb auf volle Kosten des Betreibers durchgeführt wird;
der neueste Stand des technischen Fortschritts zum Zeitpunkt der Bewertung erreicht wird;
der Reaktor benötigt wird, um die Klimaneutralität zu gewährleisten.
Erlaube den Bau und Betrieb bereits genehmigter Reaktoren im Rahmen der jeweils vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen.
Neue Reaktoren nur dann zulassen, wenn sie inhärent sicher (es sind keine aktiven Sicherheitssysteme erforderlich, um den Betrieb in einen sicheren Zustand der Abschaltung zu bringen) und robust gegenüber äußeren Einflüssen sind.
Förderung der Forschung und Unterstützung fortschrittlicher Kernspaltungs- und Fusionskonzepte wie Thoriumkreisläufe, Salzschmelze, Flüssigmetall, Gen4, schnelle Brüter oder kleine modulare Reaktoren.“
Volt Deutschland versteckt sich hinter dem kryptischen Verweis auf den europäischen „Umsetzungsplan“20/20/20“ zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen[10]. Zur Zeit der Erstellung des deutschen Grundsatzprogrammes war die EU „Taxonomie“, also die wirtschaftliche Gleichstellung von Atomenergie mit den erneuerbaren Energien als „nachhaltig“ bekannt. Es dürfte also kein Zufall sein, dass der deutsche Ableger der Partei sich auf den „Umsetzungsplan“ bezieht, ohne ein Wort zur „Taxonomie“ zu verlieren.[11]
Im Grundsatzprogramm von Volt Deutschland betont die Partei, die weltweiten Bemühungen um Nichtverbreitung von Waffen und Abrüstung. Aber sie sieht keinen Widerspruch zu diesem Ansinnen, wenn es um die europäische Nuklear-Bewaffnung geht:
„Nach Jahrzehnten der Untätigkeit ruft Volt, angesichts der Kosten und inakzeptablen Gefahren, die von Atomwaffen ausgehen, die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen voranzugehen. Was das derzeitige europäische Arsenal an Nuklearsprengköpfen im Besitz Frankreichs betrifft, so befürwortet Volt langfristig natürlich die Europäisierung dieses Arsenals, sobald die europäischen Sicherheitskräfte unter einer einheitlichen Befehlskette und unter der Aufsicht einer funktionierenden europäischen Demokratie vereint sind. Bis zu diesem Zeitpunkt wird Frankreich sein Atomwaffenarsenal beibehalten. Angesichts wachsender Bedenken hinsichtlich des langfristigen Engagements der USA für die europäische Sicherheit muss die Europäische Union nach angemessenen Methoden der Abschreckung suchen, sowohl offensiv als auch defensiv, um ihre eigene Sicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten.“[13]
Der Schlusssatz darf durchaus als Drohung aufgefasst werden.
Damit spricht Volt das aus, was Strategen der Grünen um die Böll-Stiftung bereits seit längerem eher verschämt diskutieren. Das erklärt wohl auch, die Kompatibilität der Volt-Europa-Parlamentarier mit der Grünen Fraktion im EP.
Finanzierung: Spendentransparenz.
[1] Insgesamt erzielte Volt 5 Sitze, 2 aus den Niederlanden, 3 aus Deutschland. Volt ist Mitglied der GRÜNEN Europa-Fraktion
[2] Siehe Diem25 – führende Aktivisten
[3] Siehe dazu „Rollin Stone“, Robert Gilmore hält Roger Waters für einen Antisemiten, ZDF-Info berichtet über einen Offenen Brief an Waters zum Antisemitismus Vorwurf. Zitat: „Er mag sagen, dass er Leute dazu bringen will, die Beziehung zu den Palästinensern zu überdenken und ihnen vielleicht einen freien Staat zu geben und dass das alles sei, was er tue. Nun, wenn das alles ist, was Du tust, dann lass die Dinge weg, die Antisemitismus schüren. Und Menschen dazu bringen, uns als Volk als das Andere und den Feind zu sehen.“
[4] Siehe Youtoube, Yanis Varoufakis in conversation with Roger Waters
[5] Siehe dazu Journal Frankfurt, „Ich verurteile nicht die Hamas, sondern jeden Akt der Gewalt gegen Zivilisten“.
[6] Helge Peukert, Mitglied im Beirat von attac, Unterstützer von Scientist of Rebellion, Wissenschaftler von Extinction Rebellion. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerm. Kommentator in diversen Medien (SZ, DLF, taz, FR und andere).
[7] https://voltdeutschland.org/programm/programme/programme-positionen
[8] Siehe dazu: Verein Nuklearia, Europawahl 2024
[9] Eine europäische, sichere und innvoative Strategie für die Kernenergie
[10] Anbei 20/20/20 Klimaschutzpaket
[11] Zur Kritik am EP zur Energiewende, siehe WWf
[12] Siehe dazu Berliner Morgenpost
[13] Seite 25 Grundsatzprogramm, Stand Januar 2023.