30.09.2025
Eine fast vier Jahrzehnte umfassende Studie zeichnet ein klares Bild vom Wandel der Fischfauna in der Elbmündung: Forschende des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) haben in Kooperation mit der Universität Hamburg Daten von 1984 bis 2022 ausgewertet. LIB-Doktorand Jesse Theilen untersuchte, wie Umweltfaktoren im Verlauf von vier Jahrzehnten die Bestände wichtiger Fischarten beeinflussten.
Die Ergebnisse zeigen zunächst eine Erholungsphase von den 1980er-Jahren bis etwa 2010. Damals verbesserte sich die Wasserqualität, was zu einem Anstieg der Bestände führte, insbesondere beim Stint. Seit 2010 jedoch kam es zu einem dramatischen Rückgang: Der gesamte Fischbestand sank um über 90 %. Neben dem Stint waren auch Arten wie Finte, Flunder und Kaulbarsch stark betroffen.
Alle Lebensstadien sind in Mitleidenschaft gezogen: bei vielen Arten verringerte sich das Aufkommen von Larven und Jungfischen. Ursachen sind unter anderem die Verschlickung wichtiger Aufwuchsgebiete. Bei Jungfischen des Zanders und subadulten sowie adulten Kaulbarschen wurde ein verringertes Wachstum beobachtet.
Im gleichen Zeitraum nahmen allerdings einzelne Meeresfische wie Hering und Wittling zu. Dies weist auf eine strukturelle Verschiebung der Fischfauna hin, wie sie für makrotidale Ästuare – also in Flussmündungsgebieten, die durch einen hohen Tidenhub geprägt sind – typisch ist.
Die langfristigen Veränderungen in den Fischbeständen der Elbmündung lassen sich eng mit verschiedenen Umweltfaktoren verknüpfen. Während in den 1990er-Jahren eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität die Erholung vieler Arten begünstigte, haben sich die Bedingungen in den letzten Jahren klar verschlechtert.
Als wesentlicher Faktor gilt die Zunahme von Schwebstoffen infolge von Fahrwasseranpassungen und Unterhaltungsbaggerungen. Sedimentierende Schwebstoffe haben wichtige Aufwuchsgebiete verschlickt, zudem erschwert die hohe Trübung den Nahrungserwerb. Auch verringerte Abflüsse infolge geringerer Niederschläge haben die Problematik mit den Sedimenten verschärft. Durch den geringeren Abfluss werden weniger Sedimente aus dem Ästuar herausgespült. Zudem steigt der Salzgehalt in vormals weniger salzhaltigen Bereichen, was das ökologische Gleichgewicht stört. Hinzu kommt Sauerstoffmangel in den Sommermonaten, der aquatische Organismen zusätzlich belastet. (Quelle: Informationsdienst Wissenschaft)
Auf Nachfrage wurde uns von Jesse Theilen bestätigt, dass sich die Ergebnisse zumindest teilweise auf das Ems-Ästuar übertragen lassen; auch hier wirken ähnliche Stressoren. Durch die hydromorphologischen Veränderungen im Ems-Ästuar konnten, bedingt durch dessen geringere Größe, Auswirkungen auf das Ökosystem bereits vor einigen Jahrzehnten festgestellt werden.
Hier folgten auf die Flussvertiefungen und den dadurch bedingten stärkeren Meerwassertransport bei auflaufendem Wasser höhere Salzkonzentrationen flussaufwärts, womit sich veränderte Bedingungen für Lebewesen im Wasser ergaben. Diese Annahme bestätigen auch Untersuchungen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), wonach sich in den letzten Jahrzehnten in Folge der Ausbaumaßnahmen der seewärtige Einfluss auf die Bewegungs- und Transportvorgänge der Unterems vergrößerte. Dieses äußert sich auch in einem Anstieg der Salzgehalte, und zwar besonders des maximalen Salzgehalts zum Ende der Flutstromphase.
Nach 2004 setzte insbesondere in den Sommermonaten Juni bis Oktober eine starke Zunahme der Salzgehalte in der Unterems ein, was auch mit dem geringen Oberwasserzufluss während dieser Zeit erklärbar ist. Eine Folge hiervon ist beispielsweise das Vorkommen der Holzbohrmuscheln oberhalb des bisher bekannten Verbreitungsgebiets in der Ems; dies gilt auch für die Weser.


