Übrig bleiben „anerkannte“ Bürgerkriegsländer wie Syrien und Afghanistan[1], für Menschen aus diesen Ländern gelten weiter die alten Regelungen, sie haben zumindest den Anspruch auf ein einigermaßen den Rechtsstandards angemessenen Verfahren.
Der Rest der Flüchtlingen wird an den Außengrenzen in Ländern mit „hochdemokratischen“ Regierung wie die faschistisch geführte in Italien oder die Orban-Regierung in Ungarn in Lagern konzentriert und mehrere Monate unter Gefängnis-ähnlichen Bedingungen hingehalten, bis ihr Anliegen im Schnellverfahren geprüft wird.
Als „sicheren Drittstaaten“ werden in dem Beschluss etwa die Türkei, Ägypten oder Tunesien eingestuft. Asylsuchende aus diesen Länder haben somit praktisch kaum noch Chancen auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, geschweige denn auf Anerkennung.
Beispiel Tunesien: Hier ist die ursprüngliche Demokratisierung nach dem Arabischen Frühling ebenfalls – wie in anderen Ländern – gekippt. Mittlerweile regiert wieder ein Autokrat alten Stils und lässt Kritiker und politische Gegner einsperren.[1]
Beispiel Türkei: Über Menschrechtsverletzungen durch die Regierung Erdogan zu berichten, hieße „Eulen nach Ankara tragen“. Nicht nur Menschen kurdischer Herkunft landen im Gefängnis oder verschwindet, auch politische Gegner und Journalisten teilen dieses Los.[2]
Beispiel Ägypten: Selbst die EU bedauert dort „zutiefst den anhaltenden Mangel an grundlegenden politischen Rechten und Freiheiten in Ägypten“ und „… verurteilt aufs Schärfste die Zensur, Schikanierung und Einschüchterung von Vertretern der ägyptischen Zivilgesellschaft durch die staatlichen Stellen Ägyptens“. Wenn aber Verfolgte aus Ägypten in Lambedusa ankommen, können sie nach 08/15-Prüfung im Schnellverfahren künftig wieder abgeschoben werden.[3] Das Gleiche droht Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Sudan. Nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) haben seit Beginn der Kämpfe im Sudan 200 000 Menschen das Land verlassen.[4] Flüchtlinge aus der äthiopischen Region Tigray, wo einer der weltweit brutalsten und tödlichsten Bürgerkriege[5] tobte mit mehr als 500.000 Toten, in der Mehrzahl Zivilist*innen, haben nun ebenfalls keinen Anspruch mehr auf ein ordnungsgemäßes Asylverfahren.
Dass „es keine grundsätzliche Ausnahme von Kindern bei Grenzverfahren geben (wird) und auch ein verpflichtender Verteilmechanismus konnte … nicht erreicht werden“, so kritisiert die Vorsitzende Ricarda Lang im Spiegel. Es ist zu erwarten, dass die Grüne Bundestagfraktion und die Regierungsmitglieder zwar lautstark diese Mängel bedauern werden, die faulen Kompromiss aber dennoch abnicken.
Was auf den Ägäis-Inseln ist seit Jahren real ist, kommt jetzt mit der EU-Asylrechtsverschärfung flächendeckend: Haftlager, Schnellverfahren ohne Prüfung der Fluchtgründe und gewaltvolle Abschiebungen.
Die wie eine Monstranz durch die deutschen (und maßgeblich) den grünen Verhandler*innen vorangetragene Regelung für „Familien mit Kindern“ (diese sollten von der Regelung grundsätzlich ausgenommen werden und weitere Anspruch auf das bisherige Verfahren haben) ist im Kompromiss erwartungsgemäß ebenfalls geopfert worden. Außenministerin Baerbock sprach sich bei ihrem Besuch in Brasilien gegen Verfahren für Familien mit Kindern an der EU-Außengrenze aus.[6] Selbst die deutlich abgeschwächte Variante mit (wie auch immer definiert) „kleinen“ Kinder (die andere Variante war „bis 18“) war nicht durchsetzbar.
Selbst die Regelung zur Aufnahme durch alle EU-Länder war nicht einstimmig zu beschließen, Polen und Ungarn stimmten mit nein, drei weitere Länder enthielten sich. Der Polnische Vertreter kündigte auch umgehend an, dass sein Land auch keine Zahlungen bei Nicht-.Aufnahme leisten würde, DAS sei seinen Bürgern nicht vermittelbar.
[1] https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/tunesien-aktivistinnen-freilassen-2023-05-24
[2] https://www.proasyl.de/news/guelen-verfolgung-in-der-tuerkei-wird-vom-bamf-immer-wieder-verkannt/
[3] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0426_DE.html
[4] https://www.nzz.ch/international/sudan-warum-der-machtkampf-ausser-kontrolle-geraet-ld.1734114
[5] https://www.deutschlandfunk.de/aethiopien-tigray-konflikt-100.html
[6] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/annalena-baerbock-gegen-grenzverfahren-fuer-familien-in-asypolitik-18940775.html