Das Ende der Grünen Asylpolitik?

Ihre Haltung zur deutschen bzw. EU-Asylpolitik war bisher eines der wenigen verbleibenden politischen Alleinstellungsmerkmale der Grünen Partei. Diese droht auf Bundesebene unter die Räder der „Ampel“ zu kommen.

Karl-W. Koch

Ihre Haltung zur deutschen bzw. EU-Asylpolitik war bisher eines der wenigen verbleibenden politischen Alleinstellungsmerkmale der Grünen Partei. Diese droht auf Bundesebene unter die Räder der „Ampel“ zu kommen.

Der erkennbare Grund ist die Gefahr, dass das Thema im kommenden Wahlkampf von rechter Seite – bei weiter steigenden Zahlen – thematisiert werden wird. Dem meinen die Parteien der Ampel offenbar vorbeugen zu müssen. Das Problem der Finanzierung droht bereits jetzt zu eskalieren, mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen der Verteilung der Lasten zwischen Bundesebene und Ländern bzw. der kommunalen Ebene.

Verbunden mit der Verschärfung ist die erklärte Absicht, die EU-Außengrenzen undurchlässig zu machen. Dabei ist Deutschland auf Zuwanderung dringend angewiesen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, an allen Ecken und Enden fehlt es an Arbeitskräften und Azubis. Anstatt in Ländern des Globalen Südens die dort dringend benötigten Fachkräfte abzuwerben, sollte den meist jungen Menschen, die zu uns kommen und im Rahmen des Asylrechts eine Perspektive suchen, die Chance auf Ausbildung geboten werden.

Die Ampelregierung, bekanntermaßen mit grüner Beteiligung, hat sich auf eine gemeinsame Position geeinigt, um zusammen mit anderen europäischen Staaten das Asylsystem in der EU neu zu organisieren. Kommen sollen: Schnellverfahren an den Außengrenzen, Haftzentren für abgelehnte Asylbewerber, kurze Einspruchsfristen ohne aufschiebende Wirkung und schnelle Rückführungen. Erklärtes Ziel ist, dass je weniger Menschen kommen, umso weniger innerhalb der EU verteilt werden müssen.

Innministerin Faeser verschärft den Ton in der Asyldebatte, ihre jüngste Ankündigung war, die europäische Migrationspolitik nunmehr auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen hin neu auszurichten, gerne auch mit „hohen Zäunen“ und Asyl-Schnellverfahren in Auffanglagern an den EU-Außengrenzen. Lena Dupont, die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, lobte den Kurswechsel: „Es ist gut, dass der Vorschlag, Asylverfahren an den Außengrenzen durchzuführen, in der Zwischenzeit auch von der Bundesregierung mit vertreten wird.“

Der neue Asyl-Plan der Bundesregierung deckt sich weitgehend mit den Vorschlägen der EU-Kommission für das Migrations- und Asylpaket. So würde Berlin mittragen, dass für Personen, die aus sog. „sicheren Drittstaaten“ wie der Türkei oder einem Land mit einer Anerkennungsquote von weniger als 15 % kommen, Expressverfahren verpflichtend sind. Völlig einig ist man sich, dass jeder Ankommende an den Außengrenzen registriert und medizinisch untersucht wird sowie eine Sicherheitsprüfung durchläuft.

Ylva Johansson, EU-Innenkommissarin fordert, dass künftig alle EU-Länder Rückführungsentscheidungen „gegenseitig“ anerkennen sollen. Das würde bedeuten, dass z.B. ein von der ungarischen Behörde abgelehnter Asylbewerber jede Chance auf ein weiteres Verfahren verlöre.

Zielsetzung der Grünen war bisher, die „Fluchtursachen (zu) bekämpfen und nicht die Geflüchteten“.

Erste Widerstände innerhalb der Grünen

Erste Widerstände innerhalb der Grünen werden laut. Das Sprechteam der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration & Flucht veröffentlicht am 28.4. auf der BAG-Seite folgendes:

Keine Entrechtung Schutzsuchender an den EU-Außengrenzen

Mit Entsetzen haben wir die Position der Bundesregierung zur europäischen Flüchtlingspolitik und den aktuell diskutierten Reformplänen zur Kenntnis genommen. …. Damit stimmt die Bundesregierung zu, dass es in der EU künftig kein individuelles Recht auf Asyl mehr geben wird.

Schutzsuchende systematisch davon abzuhalten, einen Asylantrag bei uns zu stellen und ein ordentliches individuelles Verfahren zu durchlaufen, verstößt gegen Völkerrecht und gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Beschleunigte Verfahren führen dazu, dass es zu Zurückweisungen ohne inhaltliche Prüfungen der Asylanträge kommt und dass die Menschen im Grenzverfahren keinen Rechtsschutz haben. … Das ist keine menschenrechtsorientierte Geflüchtetenpolitik, welche die Bundesregierung hier verfolgt, sondern eine der Abschottung, des Leids und der Entrechtung.

Wir als Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht von Bündnis 90/Die Grünen fordern die Bundesregierung deshalb eindringlich dazu auf, zu ihren eigenen Versprechen zurückzukehren und ihre Pläne unverzüglich zu korrigieren.“

Und zitieren dann den gültigen Koalitionsvertrag:

… Wir wollen die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden. Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden.“ (Koalitionsvertrag, S. 141)

Deutlich äußerte sich auch der Grünen-Europaabgeordneten Erik Marquardt  auf DLF: Es sei ein sehr schlechter Vorschlag, mit dem Faeser Rechtspopulisten auf den Leim geht. Schon jetzt seien durch das geltende Dublin-System die Staaten an den Außengrenzen in der Verantwortung, Asylverfahren durchzuführen. Doch dort würden immer wieder Migranten mit Gewalt abgewiesen oder durchgewinkt. Der Vorschlag sei nicht neu, sondern bereits gescheitert.

Der grüne Vorsitzende Nouripour zeigt sich dagegen offen für Kompromisse (und das weitere Schleifen grüner Positionen). Mit der Aussage, eine Zustimmung „hänge vom Paket ab“ signalisiert er zum wiederholten Mal ein massives Einknicken der Parteiführung gegenüber Forderungen wider grüner Beschlusslage und wieder den Koalitionsvertrag.

Keine Zustimmung zu Schnellverfahren an den Außengrenzen

Nicht zustimmungsfähig für alle Grünen ist

  • die Durchführung von angeblich rechtsgültigen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Wie soll das in den Häfen süditalienischer oder griechischer Insel, an der Grenze Ungarn/Serbien oder Bulgarien/Türkei „in zwölf Wochen“ funktionieren?
  • Die Einführung von Schnellverfahren ohne die Möglichkeit, die Ergebnisse rechtlich überprüfen zu lassen.
  • Die Rückführung – auch von abgelehnten Asylbewerber*innen – in Länder, in denen ihnen Gefahr für Leib und Leben droht oder ihre Freiheit gefährdet ist.

Fazit

Was in der Debatte als »Asylverfahren an den Außengrenzen« bezeichnet wird, hat mit einem fairen, rechtsstaatlichen Vorgang nichts zu tun. Geflüchtete erwartet vielmehr ein Schnellverfahren, an dessen Ende für viele die direkte Abschiebung in einen sogenannten »sicheren Drittstaat« steht, weil ihr Asylantrag als »unzulässig« abgelehnt wird. Ohne inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe.“ (Pro Asyl)

Die „Festung Europa“ wird massiv ausgebaut, neuerdings mit grüner Unterstützung. In Anbetracht des Scheiterns der Klimapolitik ist dieser Schritt zynisch, aber logisch: Die Verschärfung des Klimawandels wird bereits in naher Zukunft zu massivem Anstieg der Flüchtlingszahlen z.B. aus den Küstenregionen, den unerträglich überhitzten Ländern Afrikas und den vom Trinkwassermangel betroffenen Ländern der Himalaya Region. Wird der Ansturm nicht militärisch verhindert, wird Europa überrannt. Die Möglichkeit, die Fluchtursachen zu bekämpfen (den Klimawandel abzumildern) wäre menschlicher, wahrscheinlich auch billiger, ist aber politisch offenbar nicht gewollt.

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